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190 Politische und ideologische Voraussetzungen des Nationalsozialismus Neue Staatsform, alte Eliten Selbst Gesetze konnten den rechten Terror nicht stoppen. Nahezu alle Richter aus dem Kaiserreich blieben in ihren Ämtern. Viele Urteile zeigten ihre Abneigung gegen die Republik. Attentäter von rechts konnten vor Gericht mit weitgehendem Entgegenkommen und milden Strafen für ihre „nationale Tat“ rechnen, während Terroranschläge von links mit der vollen Härte des Gesetzes geahndet wurden. Wie in der Justiz konnten sich auch in der Reichswehr die alten Eliten an der Macht halten. Sie blieb ein „Staat im Staate“. Bei Putschversuchen von links ging sie mit aller Konsequenz vor, wie etwa beim Spartakus-Aufstand im Januar 1919. Bei Angriffen von rechts hielt sie sich weitgehend zurück. Dies zeigte sich bei dem Putsch einer Gruppe um die führenden Vertreter der rechtsextremen antirepublikanischen Bewegung, General Erich Ludendorff* und Wolfgang Kapp. Sie unternahmen mit der Unterstützung von Freikorps vom 13. bis 17. März 1920 einen Umsturzversuch (Kapp-Putsch), der jedoch scheiterte. Die meisten Reichswehrkommandeure standen zwar dem Putsch ablehnend gegenüber, setzten aber die Reichswehr nicht zum Schutze des Staates ein. Angeblich wollten sie verhindern, dass Reichswehreinheiten aufeinander schießen müssten. In der überwiegend monarchistisch-konservativ geprägten Beamtenschaft, bei den Führungskräften der Wirtschaft sowie an den Universitäten herrschten antidemokratische und antirepublikanische Ressentiments vor. 1934 schrieb die SPD rückblickend: „Dass sie den alten Staatsapparat fast unverändert übernahm, war der schwere historische Fehler, den die deutsche Arbeiterbewegung beging.“ Haltung des Bürgertums Nicht nur die alten Eliten, auch große Teile des Besitzund Bildungsbürgertums wollten die Weimarer Republik nicht akzeptieren. Ein Großteil der Deutschen, die sich in den ersten Jahren und der relativ stabilen Phase von 1924 bis 1929 zur parlamentarischen Demokratie bekannten, waren sogenannte „Vernunftrepublikaner“ – Bürger, die eigentlich loyal zur Monarchie gestanden hatten, nach der erfolgreichen Revolution aber bereit waren, die junge Demokratie zu unterstützen. In den Krisenjahren der Republik ab 1929 wandelte sich die latente Republikfeindschaft in offene Ablehnung. Viele wandten sich den radikalen rechten Parteien zu. Typisch für diese Haltung war die DVP – neben DDP, DNVP und dem Zentrum eine der sogenannten „bürgerlichen“ Parteien. Sie war in den Anfangsjahren noch monarchistisch und republikfeindlich geprägt. Gustav Stresemann brachte sie auf einen demokratischen und republikanischen Kurs. Nach seinem Tod tendierte die DVP immer stärker nach rechts, blieb jedoch im Vergleich zur DNVP und der ab 1924 kandidierenden rechtsradikalen NSDAP gemäßigt und sank 1932 zur Bedeutungslosigkeit herab. Separatistische Bewegungen im Reich Innenpolitische und wirtschaftliche Schwierigkeiten ließen die schon seit 1919 schwelenden separatistischen Bewegungen erneut auffl ammen. Die Parole „Los vom Reich“ war in vielen Teilen der Republik zu hören. Von i „Hochverrat vor dem Reichsgericht.“ Karikatur von Gerhard Holler aus der Beilage zum Berliner Tageblatt „Ulk“, 1927. Die Bildunterschrift zu den linksgerichteten Angeklagten lautet: „Ich werde die Republik vor Ihnen zu schützen wissen!“ Die rechten Uniformierten werden angesprochen mit: „Ich werde Sie vor der Republik zu schützen wissen!“ Spartakus-Aufstand: initiiert vom Spartakusbund, einer Gruppe radikaler Sozialisten, die den Kern der Ende Dezember 1918 gegründeten KPD bildete. Der Aufstand wurde von Freikorps und Regierungstruppen blutig niedergeschlagen. Die Wortführer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wurden nach ihrer Verhaftung von Offi zieren ermordet. Gustav Stresemann (1878 1929): 1918 Mitbegründer der DVP, 1919/20 Mitglied der Nationalversammlung, 1923 Reichskanzler, 1923 1929 Außenminister, erhielt 1926 den Friedensnobelpreis * Siehe zu General Erich Ludendorff S. 77. 4677_1_1_2015_184-217_Kap6.indd 190 17.07.15 12:05 Nu r z u Pr üf zw ck en Ei en tu m d s C .C .B uc hn r V er la gs | |
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