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268 Die Herrschaft des Nationalsozialismus in Deutschland und Europa Die „Weiße Rose“ Die Angehörigen der „Weißen Rose“ waren fast ausschließlich Studenten bis zum Alter von 25 Jahren. In bürgerlichen Elternhäusern mit vorwiegend christlichen Traditionen aufgewachsen, hatten sie zum Teil begeistert der Hitler-Jugend angehört, aber bald die moralische Verwerfl ichkeit der NS-Bewegung durchschaut. Durch ihren Fronteinsatz wurden einige Zeugen der Unmenschlichkeit von Kriegsführung und Besatzungspolitik und hegten bald Zweifel am „Endsieg“. In München, wo die meisten Angehörigen der „Weißen Rose“ studierten, bildete sich um die Geschwister Hans und Sophie Scholl, Willi Graf, Alexander Schmorell und ihren Universitätslehrer, den Musikwissenschaftler Kurt Huber, ein Freundeskreis. Im Sommer 1942 erschien das erste Flugblatt der „Weißen Rose“. 100 Exemplare verschickte man an ausgesuchte Adressen. Mitte Februar 1943 wurde das letzte Flugblatt in einer Aufl age von 3 000 Exemplaren erstellt und wieder teilweise per Post versandt (u M2). Bei der Verteilung des Restes im Lichthof der Universität hielt ein Hörsaaldiener die Geschwister Scholl fest und übergab sie der Polizei. In mehreren Prozessen wurden Angehörige des Freundeskreises, darunter auch das Geschwisterpaar, zum Tode verurteilt und hingerichtet, andere erhielten Gefängnisstrafen. Die Rolle der Kirchen Hitler bemühte sich von Anfang an um die Zustimmung der kirchlichen Amtsträger und Gemeindemitglieder. Die Haltung der Kirchen gegenüber den Nationalsozialisten dagegen war ambivalent. Obwohl sie vor der „Machtergreifung“ die Unvereinbarkeit von Weltanschauung und Politik mit der christlichen Lehre betonten, änderten sie ihre ablehnende Haltung gegenüber dem neuen Regime. Das am 20. Juli 1933 mit dem Heiligen Stuhl geschlossene Reichskonkordat garantierte der katholischen Kirche ihre Unabhängigkeit und die Nichteinmischung des Staates in kirchliche Institutionen. Im Gegenzug war Geistlichen jegliche politische Betätigung untersagt. Als die Nationalsozialisten jedoch dazu übergingen, Bekenntnisschulen und katho lische Verbände aufzulösen oder „gleichzuschalten“, Klöster und kirchliche Heime zu enteignen, forderte dies wiederholt scharfen Protest heraus. Gegen die Verdrängung des Christentums und die „Vergötzung“ des Nationalsozialismus wandte sich Papst Pius XI. in seiner 1937 veröffentlichten Enzyklika „Mit brennender Sorge“. Jedoch kritisierte die Kirchenführung die Verbrechen der Nationalsozialisten, insbesondere die Verfolgung der Juden, nicht öffentlich. Lediglich einzelne Priester, Ordensgeistliche und Laien verurteilten offen die Judendiskriminierung und die Tötung behinderter Menschen („Euthanasie“; u M3). Die evangelische Kirche war gespalten. Die Deutschen Christen setzten sich für die „Gleichschaltung“ der evangelischen Landes kirchen ein und waren für eine regimetreue Reichskirche und für die Entlassung „nichtarischer“ Geistlicher und Kirchenbeamten. Dagegen formierte sich im Mai 1934 auf Initiative des Pfarrers Martin Niemöller die Bekennende Kirche, der sich mehr als die Hälfte der evangelischen Pfarrer anschloss. In Schriften und Predigten protestierten sie gegen die staatliche Vereinnahmung der Kirche, die nationalsozialistische Rassenpolitik und die Konzentrationslager. Militärischer Widerstand – der 20. Juli 1944 Der einzige Machtfaktor im Hitlerstaat, der zur Organisation und Durchführung eines Umsturzes in der Lage schien, war das Militär. Außerdem waren die Generäle die ersten Befehlsempfänger für Hitlers maßlose Eroberungspläne, und da dieser sprunghaft und ohne strategischen Sachverstand befehligte, wuchs aufseiten der militärischen Führung die Skepsis. Selbst moralische Einwände kamen zum Tragen, denn der rassistische Vernichtungskrieg Hitlers ging für viele weit über das hinaus, was Berufssoldaten zu tun bereit waren (u M4). Filmtipp: Der neunte Tag; Deutschland/ Luxemburg/Tschechien 2004; Regie: Volker Schlöndorff Konkordat: völkerrechtlicher Vertrag zwischen der katholischen Kirche und einer weltlichen Regierung Filmtipps: p Sophie Scholl – Die letzten Tage, Deutschland 2005; R egie: Marc Rothemund p Die Widerständigen – Zeugen der Weißen Rose, Deutschland 2008; Regie: Katrin Seybold 4677_1_1_2015_218-275_Kap7.indd 268 17.07.15 12:08 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um e C .C .B uc hn er V er la g | |
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