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Geschichte kontrovers300 • Wenn wir uns der Verfolgung des freien Geistes während der Diktatur besinnen, werden wir die Freiheit jedes Gedankens und jeder Kritik schützen, so sehr sie sich auch gegen uns selbst richten mag. […] • Wenn wir daran denken, was unsere östlichen Nachbarn im Kriege erleiden mußten, werden wir besser verstehen, daß der Ausgleich, die Entspannung und die friedliche Nachbarschaft mit diesen Ländern zentrale Aufgabe der deutschen Außenpolitik bleiben. Presseund Informationsamt der Bundesregierung, Bulletin Nr. 52 vom 9. Mai 1985; S. 441 448; hier S. 441 f. Zitiert nach: www.bundespraesident.de/ SharedDocs/Reden/DE/Richard-von-Weizsaecker/Reden/1985/05/ 19850508_Rede.html [Zugriff vom 20. Januar 2015] M3 „Der 8. Mai 1945 war und ist im Erleben unseres Volkes … ein Tag der tiefsten Demütigung“ Der Bundestagsabgeordnete Lorenz Niegel von der CSU begründet seine Abwesenheit zur Gedenkfeier im Bundestag am 8. Mai 1985 folgendermaßen: Der 8. Mai ist zweifellos der Tag, an dem der entsetzlichste Krieg zu Ende ging, den Deutschland je bestehen musste, der Tag auch, an dem ein Regime zu existieren aufhörte, das über unzählige unschuldige Mitmenschen Not und Tod gebracht hatte. Wir wissen aber auch, dass der 8. Mai 1945 der Ausgangspunkt neuen Unrechts war, das mit den Kriegsereignissen in keinerlei rechtlich oder moralisch vertretbarem Zusammenhang stand. Der Tag der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht war für Millionen deutscher Menschen, die so unschuldig waren wie irgendeiner, der unter der nationalsozialistischen Herrschaft gelitten hatte, der Beginn von Gefangenschaft und Internierung, von Ausplünderung und Vergewaltigung, von Entrechtung und Vertreibung, von Hunger und Tod. Für Soldaten und Zivilisten, für Frauen und Kinder, für die überwältigende Mehrheit unseres Volkes konnte dieser Tag kein Tag der Befreiung sein. Der 8. Mai 1945 war und ist im Erleben unseres Volkes einer der traurigsten Tage, ein Tag der tiefsten Demütigung, zumal er dem persönlichen Elend unsere Ächtung als Nation und die Verweigerung unserer staatlichen Einheit hinzufügte. Der 8. Mai 1945 ist der traurige Jahrestag des Beginns der deutschen Spaltung und der weiteren Unterdrückung vieler deutscher Landsleute unter das kommunistische Regime. Der 8. Mai ist deshalb kein Grund für eine besondere Gedenkstunde. Lorenz Niegel (Hrsg.), Der 8. Mai 1985 im Meinungsbild, o.O., o. J., Anlage 1 M4 „Verdeckung historischer Widersprüche“? Egbert Jahn, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Frankfurt, geht in einer Vorlesung 2013 auf das Thema wie folgt ein: Die Rede von Weizsäckers hinterließ bei mir vor fünfundzwanzig Jahren einen unguten Beigeschmack trotz des gleichzeitigen Empfi ndens und der Anerkennung […]. Wurden da nicht historische Widersprüche und Gegensätze l ediglich mit wohltuenden Worten verdeckt? […] Diese Fragen werden an dieser Stelle aufgeworfen, weil die Befreiungsthese Richard von Weizsäckers zwar die wohltuende, befreiende und entlastende Wirkung für die Deutschen hat, sich auf die Seite der Opfer, der Verführten und Verstrickten, sowie der befreienden Siegermächte stellen zu können und die Täterschaft allein dem allmächtigen Verführer Adolf Hitler und seinen wenigen verbrecherischen Helfershelfern zuzumessen. Die Befreiungsthese verführt aber allzu leicht dazu, den fundamentalen Unterschied zwischen der Befreiung von unerwünschter, gefürchteter, verhasster und bekämpfter nationaler Fremdherrschaft und der Befreiung als langsame Ablösung von nationalsozialistischen Einstellungen zu verwischen. Es ist sinnvoll, von einer Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus als Herrschaftssystem und als Denkweise zu sprechen, es ist aber zugleich erforderlich, den fundamentalen Unterschied zwischen beiden Arten der Befreiung deutlich zu machen. Egbert Jahn, Politische Streitfragen in zeitgeschichtlicher Perspektive. Nochmals: Niederlage oder Befreiung am 8. Mai 1945, 6. Mai 2013, S. 2 17, hier S. 11 und 16 [Zitiert nach: www.fb03.uni-frankfurt.de/.../ZSFraMoV15NET-AchterMai-08.pdf; Zugriff vom 4. August 2014] 1. Geben Sie die Kernthesen der Texte M1 bis M4 wieder. 2. Zeigen Sie die Kontroverse mit ihren jeweiligen Begründungen, aber auch Gemeinsamkeiten in der Einschätzung auf, indem Sie die Argumente der Autoren tabellarisch gegenüberstellen (M1 bis M3). 3. Erläutern Sie die Geschichtsbilder, die in den ersten drei Quellen zum Ausdruck kommen, und arbeiten Sie die Konsequenzen für Politik und Gesellschaft heraus. 4. Bewerten Sie die Positionen der Autoren zum Gedenken an den 8. Mai 1945. 5 10 15 20 25 5 10 15 20 85 4677_1_1_2015_276-311_Kap8.indd 300 17.07.15 12:09 Nu r z u Pr üf zw ec k n Ei ge nt um d es C .C .B uc h er V er la gs | |
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