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304 Vergangenheitspolitik und „Vergangenheitsbewältigung“ Umstrittenes Gedenken In der Bundesrepublik waren bürgergesellschaftliche Initiativen Ende der 1970er-Jahre zur Normalität geworden. Das beeinfl usste auch die Geschichtskultur. Die (Um-)Benennung von Straßen, Plätzen, Institutionen und Kasernen, die Errichtung, Entfernung oder Umwidmung von Gedenkorten verstand man nun nicht mehr als alleinige Angelegenheit des Staates, sondern als Resultat eines bürgerlichen Engagements. Wie schwierig es jedoch sein kann, eine öffentliche Gedenkstätte zu gestalten, in der sich der Umgang mit der NS-Zeit angemessen ausdrückt, zeigen die Diskussionen um das Denkmal für die ermordeten Juden Europas im Zentrum Berlins. Schon 1988 gründeten die Journalistin und Publizistin Lea Rosh und der Historiker Eberhard Jäckel eine Bürgerinitiative zur Errichtung einer Gedenkstätte. Bei den heftigen, in der Öffentlichkeit ausgetragenen Diskussionen war die Konzeption des Mahnmals besonders umstritten (u M1). Nachdem ein erster Entwurf abgelehnt wurde, entschied sich eine Bundestagsmehrheit mehr als zehn Jahre später, im Juni 1999, für eine überarbeitete Fassung des amerikanischen Architekten Peter Eisenman. Eine neue „Gedenkkultur“ In wenigen Jahren werden die letzten Zeitzeugen des NS-Regimes verstorben sein. Daher gewinnen Formen des öffentlichen Gedenkens immer mehr an Bedeutung, welche die individuelle durch eine gemeinsame Erinnerung – ein kollektives Gedächtnis* – ersetzen (u M2). Heute gibt es in Deutschland eine Vielzahl von Gedenkstätten für Opfer und Widerstandskämpfer aus der Zeit des Nationalsozialismus, die vom Bund, den Ländern, Kommunen oder von bürgergesellschaftlichen Akteuren errichtet wurden und betrieben werden. Das Spektrum reicht von den KZ-Gedenkstätten bis hin zu jüngeren Gedenkorten wie etwa das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas in der Nähe des Reichstages in Berlin. Etwa seit dem Jahr 2000 hat das Nach 1989: Ein neuer Typ von Geschichtskultur entsteht u Das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ in Berlin – Gedenkort oder urbaner Abenteuerspielplatz? Foto von 2011. Seit Mai 2005 befi ndet sich das von dem amerikanischen Architekten Peter Eisenman entworfene Stelenfeld in der Mitte Berlins. p p Recherchieren Sie die der Entstehungsgeschichte dieses zentralen Erinnerungs ortes an die Ermordung der europäischen Juden und setzen Sie sich dabei auch mit der touristischen Nutzung des Mahnmals auseinander. Bearbeiten Sie dabei folgende Fragen: Ist das „gedankenlose Gedenken“ der Menschen (u. a. der „Stelenspringer“) mit der Würde des Ortes vereinbar? Oder zeigt sich in dem unbekümmerten Umgang vieler Besucher die erhoffte Offenheit der Erinnerungsarchitektur? Ist das „HolocaustMahnmal“ also ein Ort, zu dem man, wie der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) erklärte, „gern hingehen“ sollte? * Siehe S. 308. Literaturtipps: p Leah Rosh (Hrsg.), „Die Juden, das sind doch die anderen“. Der Streit um ein deutsches Denkmal, Berlin 1999 p Hans-Georg Stavginski, Das „Holocaust-Denkmal“. Der Streit um das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ in Berlin 1988 1999, Paderborn/München 2002 4677_1_1_2015_276-311_Kap8.indd 304 17.07.15 12:09 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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