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316 Nationale Identität unter den Bedingungen der Zweistaatlichkeit in Deutschland Die Entstehung zweier deutscher Staaten im Kontext des Ost-West-Konfl iktes Kriegsende 1945 Nach dem von Deutschland begonnenen und bis zum Schluss grausam geführten Weltkrieg war das Deutsche Reich im Mai 1945 vollständig zusammengebrochen. Nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht am 8./9. Mai ging die Regierungsgewalt in Deutschland auf die alliierten Siegermächte USA, Großbritannien und die Sowjetunion über. Im Juli 1945 kam auch Frankreich dazu. Menschen ohne Versorgung Der Zweite Weltkrieg hatte weite Teile Europas in ein Trümmerfeld verwandelt. Hunger und Not bestimmten den Alltag. Das besiegte Deutschland stand vor dem Nichts. Städte, Straßen und Schienen waren zerstört und die Gas-, Wasserund Stromversorgung war zusammengebrochen. Die Lebensmittelversorgung in den Städten war besonders kritisch. Für eine Person gab es im Durchschnitt 1 000 Kalorien pro Tag: ein paar Scheiben Brot, etwas Margarine, ein Löffel Milchsuppe, zwei Kartoffeln. Viele Menschen stahlen Nahrungsund Heizmittel, um zu überleben. Nordamerikanische Organisationen wie CARE halfen, die größte Not zu lindern, indem sie zwischen 1946 und 1960 fast zehn Millionen Hilfspakete im Gesamtwert von 177 Millionen Euro fi nanzierten. Erst Mitte 1946 besserte sich die Lage etwas. Statt einer geordneten Wirtschaft blühte der Schwarzmarkt: Geld war nichts wert, Waren wurden getauscht. Flucht und Vertreibung Während des Zweiten Weltkrieges deportierten die Nationalsozialisten etwa neun Millionen Polen und Tschechoslowaken aus den besetzen Gebieten im Osten des Deutschen Reiches und siedelten deutsche Minderheiten aus Süd-, Zentralund Osteuropa an. Bereits 1944 hatten die Umsiedlungen der deutschen Minderheiten den Charakter einer Fluchtbewegung vor der anrückenden Roten Armee. In den von der Sowjetunion eroberten Gebieten begannen die „wilden Vertreibungen“ von noch verbliebenen Deutschen (u M1). Sie waren häufi g an Vergeltungsaktionen gekoppelt. Die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges legten auf der Potsdamer Konferenz* im August 1945 fest, dass die deutsche Bevölkerung „ordnungsgemäß und human“ überführt werden sollte, doch Plünderungen, überfüllte Abschiebelager und katastrophale Versorgungsbedingungen führten zu vielen Opfern. Von den 14 Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen erreichten 12,5 Millionen das besetzte Deutschland und mussten von der Bevölkerung aufgenommen werden. Außerdem befanden sich in Deutschland zahllose Opfer des nationalsozialistischen Regimes: Etwa neun bis zehn Millionen ausländische Kriegsgefangene, zivile Zwangsarbeiter sowie befreite Häftlinge der Konzentrationslager (Displaced Persons, „DPs“). Die meisten von ihnen wollten Deutschland schnell verlassen. i „Fringsen.“ Foto aus Köln, Winter 1945. Im Volksmund wurde der Diebstahl von Nahrungsmitteln und Briketts nach dem Kölner Erzbischof Josef Frings auch „fringsen“ genannt. In der Silvesterpredigt 1946 billigte er den Mundraub in der Not. CARE: Abkürzung für Cooperative for American Remittances to Europe (später to Everywhere); in den USA gegründete Organisation für Hilfssendungen nach Europa und später auch weltweit * Ausführlich zur Potsdamer Konferenz siehe S. 485 und M2, S. 486. u Geschichte In Clips: Zu Flucht, Vertreibung und Umsiedlung siehe Clip-Code 4677-30 4677_1_1_2015_312-361_Kap9.indd 316 17.07.15 12:12 N r z u Pr üf zw ec en Ei ge nt um d s C .C .B uc h V er la gs | |
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