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334 Nationale Identität unter den Bedingungen der Zweistaatlichkeit in Deutschland Ausnahmefällen konnten auch wieder Arbeitskräfte angeworben werden. Gleichzeitig widersprach die Regierung jedoch der Behauptung, dass die Bundesrepublik ein Einwanderungsland sei. Kritiker sahen in dem neuen Gesetz die Aufgabe der Integration nicht erfüllt, da Ausländern kein Wahlrecht zugesprochen wurde und sie sich vermehrt staatlichen Kontrollen unterziehen mussten. Ökologie und Frieden 1973 verknappten die arabischen ölproduzierenden Länder ihren Ölexport, was zu schlagartigen Steigerungen der Energiekosten führte. Wegen des sogenannten „Ölpreisschocks“ wurden die Grenzen des Wachstums und die Ressourcenknappheit vermehrt diskutiert. Nach einer weiteren Rezession 1980 schlug die Reformeuphorie und Fortschrittsgläubigkeit in der westlichen Öffentlichkeit bald in Skepsis, Zivilisationskritik und Krisenbewusstsein um. Vor allem Angehörige der jüngeren Generation engagierten sich in der aufkommenden alternativ-ökologischen Bewegung. Gegen die fortschreitende Industrialisierung wurde eine Lebensund Gesellschaftsform gestellt, die sich am Erhalt der Umwelt ausrichtet (uM4). In der Bundesrepublik geriet Bundeskanzler Helmut Schmidt wegen des von ihm angeregten NATO-Doppelbeschlusses* vom 12. Dezember 1970 zunehmend unter Druck in Partei und Öffentlichkeit. Die Notwendigkeit des Nachrüstens wurde bestritten. Die sich neu etablierende Friedensbewegung gewann mit Demonstrationen und Appellen Teile der verunsicherten Öffentlichkeit für sich. Die hohen Kosten des Rüstungswettlaufes und die Angst vor einem Atomkrieg, der die gesamte Menschheit vernichten könnte, bestimmten das Denken und Handeln der ansonsten sehr heterogenen Gruppe innerhalb der Friedensbewegung, die zudem auch die Skepsis gegenüber der zivilen Atomkraft verstärkte. Die Ökologieund Friedensbewegung mündete schließlich in die Gründung einer völlig neuen Partei: Die Grünen. Sie schaffte bereits 1983 mit 5,6 Prozent der Stimmen den Sprung in den Bundestag. Im Gegensatz zu den etablierten Parteien verstand sie sich anfangs noch als basisdemokratische Alternative. Abkehr vom Nationalismus? Nach der Gründung der Bunderepublik und der Teilung Deutschlands nahm das deutsche Nationalbewusstsein an Relevanz ab. Zum einen wirkten die nationalsozialistischen Verbrechen als Einspruch gegen nationale Bestrebungen. Zum anderen führten die Jahre des „Wirtschaftswunders“ zu der Einstellung, dass wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und staatliche Wohlfahrt nicht an den Nationalstaat gebunden waren. Für die Mehrheit der Bürger besaß die Nation seit den späten 1960er-Jahren keine Priorität mehr. Dementsprechend nahmen auch die Stimmen ab, die eine Vereinigung der Bundesrepublik und der DDR zu einem Nationalstaat forderten. An die Stelle des Nationalismus, der als verbindende Kraft ein Zusammengehörigkeitsgefühl gestiftet hatte, trat Europa: Als attraktive Vorstellung wurde der Gedanke i Ein Bundestagsabgeordneter der Grünen auf seinem „Dienstfahrrad“. Foto von 1983. Der Partei Die Grünen gelingt 1983 erstmals der Sprung in den Deutschen Bundestag. Durch ihren unkonventionellen Stil setzt sie sich bewusst von den etablierten Parteien ab. * Zum NATO-Doppelbeschluss siehe S. 503. 4677_1_1_2015_312-361_Kap9.indd 334 17.07.15 12:13 Nu r z u Pr üf zw ck e Ei ge nt um d e C .C .B uc hn r V er la gs | |
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