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356 Nationale Identität unter den Bedingungen der Zweistaatlichkeit in Deutschland M1 „Die Bundesrepublik ist allein befugt ...“ Nach der Gründung der DDR erklärt Bundeskanzler Adenauer am 21. Oktober 1949 vor dem Deutschen Bundestag: Ich stelle Folgendes fest: In der Sowjetzone gibt es keinen freien Willen der deutschen Bevölkerung. Das, was jetzt dort geschieht, wird nicht von der Bevölkerung getragen und damit legitimiert. Die Bundesrepublik Deutschland stützt sich dagegen auf die Anerkennung durch den frei bekundeten Willen von rund 23 Millionen stimmberechtigter Deutscher. Die Bundesrepublik Deutschland ist somit bis zur Erreichung der deutschen Einheit insgesamt die alleinige legitimierte staatliche Organisation des deutschen Volkes. […] Die Bundesrepublik Deutschland fühlt sich auch verantwortlich für das Schicksal der 18 Millionen Deutschen, die in der Sowjetzone leben. Sie versichert sich ihrer Treue und ihrer Sorge. Die Bundesrepublik Deutschland ist allein befugt, für das deutsche Volk zu sprechen. Sie erkennt Erklärungen der Sowjetzone nicht als verbindlich für das deutsche Volk an. Zitiert nach: Merith Niehuss und Ulrike Lindner, Besatzungszeit, Bundesrepublik und DDR 1945 1969 (Deutsche Geschichte in Quellen, Bd. 10), Stuttgart 2007, S. 202 205 1. Zeigen Sie auf, wie Adenauer die höhere Legitimität der Bundesrepublik im Vergleich zur DDR begründet. 2. Erörtern Sie die Probleme, die damit auf künftige Bundesregierungen zukamen. M2 Wandel durch Annäherung Egon Bahr, SPD-Politiker und enger Mitarbeiter Willy Brandts, hält am 15. Juli 1963 eine Rede über die Politik der Entspannung zwischen den beiden Supermächten: Heute ist klar, dass die Wiedervereinigung nicht ein einmaliger Akt ist, der durch einen historischen Beschluss an einem historischen Tag auf einer historischen Konferenz ins Werk gesetzt wird, sondern ein Prozess mit vielen Schritten und vielen Stationen. Wenn es richtig ist, was Kennedy sagte, dass man auch die Interessen der anderen Seite anerkennen und berücksichtigen müsse, so ist es sicher für die Sowjetunion unmöglich, sich die Zone zum Zwecke einer Verstärkung des westlichen Potenzials entreißen zu lassen. Die Zone muss mit Zustimmung der Sowjets transformiert werden. Wenn wir soweit wären, hätten wir einen großen Schritt zur Wiedervereinigung getan. […] Uns hat es zunächst um die Menschen zu gehen und um die Ausschöpfung jedes denkbaren und verantwortbaren Versuchs, ihre Situation zu erleichtern. Eine materielle Verbesserung müsste eine entspannende Wirkung in der Zone haben. […] Ich sehe nur den schmalen Weg der Erleichterung für die Menschen in so homöopathischen Dosen, dass sich daraus nicht die Gefahr eines revolutionären Umschlags ergibt, die das sowjetische Eingreifen aus sowjetischem Interesse zwangsläufi g auslösen würde. […] Überlegungen der Menschlichkeit spielen hier für uns eine größere Rolle als nationale Überlegungen. […] Wir haben gesagt, dass die Mauer ein Zeichen der Schwäche ist. Man könnte auch sagen, sie war ein Zeichen der Angst und des Selbsterhaltungs triebes des kommunistischen i „1945 – 1955 – 1965.“ Karikatur von Hanns Erich Köhler, 1949. p Prüfen Sie, inwieweit der Karikaturist die Entwicklung der deutschdeutschen Beziehungen richtig vorhersagt. 5 10 15 5 10 15 20 25 4677_1_1_2015_312-361_Kap9.indd 356 17.07.15 12:13 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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