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384 Die Überwindung der deutschen Teilung in der „friedlichen Revolution“ von 1989 scheinlich, dass Deutschland in einem solchen Gefüge die Führungsrolle einnehmen würde, denn ein wiedervereinigtes Deutschland ist schlichtweg viel zu groß und zu mächtig, als dass es nur einer von vielen Mitstreitern auf dem europäischen Spielfeld wäre. Überdies hat Deutschland sich immer auch nach Osten hin orientiert, nicht nur in Richtung Westen, obwohl die moderne Version solcher Tendenzen eher auf wirtschaftliche denn auf kriegerische territoriale Expansion abzielt. Daher ist Deutschland vom Wesen her eher eine destabilisierende als eine stabilisierende Kraft im europäischen Gefüge. Nur das militärische und politische Engagement der USA in Europa und die engen Beziehungen zwischen den beiden anderen starken, souveränen Staaten Europas, nämlich Großbritannien und Frankreich, können ein Gegengewicht zur Stärke der Deutschen bilden. In einem europäischen Superstaat wäre dergleichen niemals möglich. c) Am 25. Oktober 1990 erörtert der damalige Präsident der USA, George Bush, seine Position zur Wiedervereinigung Deutschlands: Ich teile die Sorge mancher europäischer Länder über ein wiedervereinigtes Deutschland nicht, weil ich glaube, dass Deutschlands Bindung an und Verständnis für die Wichtigkeit des (atlantischen) Bündnisses unerschütterlich ist. Und ich sehe nicht, was einige befürchten, dass Deutschland, um die Wiedervereinigung zu erlangen, einen neutralistischen Weg einschlägt, der es in Widerspruch oder potenziellen Widerspruch zu seinen NATO-Partnern bringt. Erster Text: François Mitterrand, Über Deutschland, Frankfurt am Main 1996, S. 101 103 Zweiter Text: Margaret Thatcher, Downing Street No. 10. Die Erinnerungen, Düsseldorf 21993, S. 1095 f. Dritter Text: Zitiert nach: Manfred Görtemaker, Verhandlungen mit den Vier Mächten, in: Christine Hesse, Der Weg zu deutschen Einheit (Informationen zur politischen Bildung 250), Bonn 2009, S. 48 1. Stellen Sie die Positionen der drei Staatschefs gegenüber und erläutern Sie deren Interessen. 2. Arbeiten Sie die Bedingungen für eine deutsche Wiedervereinigung aus den Positionen heraus. M4 Gorbatschow gibt grünes Licht Bundeskanzler Helmut Kohl gibt am 10. Februar 1990 in Moskau eine Presseerklärung ab: Meine Damen und Herren, ich habe heute Abend an alle Deutschen eine einzige Botschaft zu übermitteln. Generalsekretär Gorbatschow und ich stimmen darin überein, daß es das alleinige Recht des deutschen Volkes ist, die Entscheidung zu treffen, ob es in einem Staat zusammenleben will. Generalsekretär Gorbatschow hat mir unmißverständlich zugesagt, daß die Sowjetunion die Entscheidung der Deutschen, in einem Staat zu leben, respektieren wird, und daß es Sache der Deutschen ist, den Zeitpunkt und den Weg der Einigung selbst zu bestimmen. Generalsekretär Gorbatschow und ich waren uns ebenfalls einig, daß die deutsche Frage nur auf der Grundlage der Realitäten zu lösen ist: d. h. sie muß eingebettet sein in die gesamteuropäische Architektur und in den Gesamtprozeß der West-Ost-Beziehungen. Wir müssen die berechtigten Interessen unserer Nachbarn und unserer Freunde und Partner in Europa und in der Welt berücksichtigen. Es liegt jetzt an uns Deutschen in der Bundesrepublik und in der DDR, daß wir diesen gemeinsamen Weg mit Augenmaß und Entschlossenheit gehen. Generalsekretär Gorbatschow und ich haben ausführlich darüber gesprochen, daß auf dem Wege zur deutschen Einheit die Fragen der Sicherheit in Europa herausragende Bedeutung haben. Wir wollen die Frage der unterschiedlichen Bündniszugehörigkeit in enger Abstimmung auch mit unseren Freunden in Washington, Paris und London sorgfältig beraten und gemeinsam eine Lösung fi nden. Ich danke Generalsekretär Gorbatschow, daß er dieses historische Ergeb30 35 40 45 5 10 15 20 25 i Abzug sowjetischer Truppen. Foto vom 31. August 1994, Berlin. Mit der Zustimmung zur Wiedervereinigung und der völligen Souveränität Deutschlands willigte Gorbatschow auch in den Abzug aller sowjetischen Truppen aus dem Gebiet der DDR ein. Im Gegenzug verpfl ichtete sich die Bundesrepublik, die Gesamtstärke ihrer Streitkräfte auf 370 000 Mann zu begrenzen. Der Abzug der Sowjetarmee zog sich über Jahre hin und wurde am 31. August 1994 schließlich mit einer Parade feierlich verabschiedet. 50 4677_1_1_2015_362-397_Kap10.indd 384 17.07.15 12:15 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei g nt um d es C .C .B ch ne r V er l gs | |
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