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M1 Zur sächsischen Frage Der österreichische Bevollmächtigte Johann Philipp Freiherr von Wessenberg schreibt im Oktober 1814 seiner Regierung: Die sächsische Frage ist wie die polnische eine europäische Frage geworden. Sie verbindet sich mit der umfassenden Neuordnung Europas. Sie kann niemals als eine Rechtsfrage angesehen werden. Keinesfalls darf das Verhalten des Königs von Sachsen oder der Grad seiner Schuld heute Gegenstand unserer Diskussionen sein; vielmehr ist der Wiener Hof mehr als jeder andere aufgerufen, zu prüfen und zu entscheiden, ob die Auslöschung des sächsischen Staates als Mitglied der europäischen Republik1 und viel mehr noch als wesentlicher Bestandteil des Systems des deutschen Bundes nicht dem Zustand der Dinge widerspricht, den die verbündeten Mächte sich zum Ziel gesetzt und in Europa herzustellen versprochen hatten, und ob diese Auslöschung sich mit der Sicherheit der österreichischen Monarchie vereinbaren lässt. […] Für mich ist es offenkundig, dass kein politisches Ereignis die militärische und politische Stellung Österreichs grundlegender verändern kann als die Einverleibung Sachsens durch Preußen. Zitiert nach: Klaus Müller (Hrsg.), Quellen zur Geschichte des Wiener Kongresses 1814/1815, Darmstadt 1986, S. 226 f. Erläutern Sie die Bedenken des Gesandten. F Entwickeln Sie aus Wessenbergs Überlegungen Prinzipien für den Umgang mit besiegten Staaten. M2 Talleyrand über Deutschland Talleyrand berichtet seinem König am 17. Oktober 1814: Die, welche durch die Aufl ösung des Reiches und die Rheinbundakte von dem Range der Dynasten zu der Klasse der Untertanen herabgestiegen sind, ertragen mit Ungeduld die Herrschaft derjenigen, die ihresgleichen wirklich oder ihrer Meinung nach waren; sie trachten, eine Ordnung umzustürzen, die ihren Stolz empört, und alle Regierungen dieses Landes durch eine einzige zu ersetzen. Mit ihnen im Bunde sind die Männer der Universitäten, die von ihren Theorien erfüllte Jugend, und die, welche der Kleinstaaterei Deutschlands die Leiden zuschreiben, die sich durch so viele Kriege, deren beständiger Schauplatz es ist, über das Land ergossen haben. Die Einheit des deutschen Vaterlandes ist ihr Geschrei, ihr Glaube, ihre bis zum Fanatismus erhitzte Religion, und dieser Fanatismus hat selbst einige der gegenwärtig regierenden Fürsten ergriffen. Diese Einheit aber, von der Frankreich nichts zu fürchten hätte, wenn es das linke Rheinufer und Belgien besäße, würde jetzt die bedenklichsten Folgen für uns haben. Wer kann überdies die Folgen der Erschütterung einer Masse wie Deutschland vorhersehen, wenn die bisher getrennten Elemente in Bewegung kämen und sich verschmelzen? Wer weiß, wo der einmal gegebene Anstoß innehält? Die Lage Deutschlands, das zum großen Teile nicht weiß, wen es zum Herrn erhalten wird, die militärischen Besatzungen mit den Plackereien, die sie gewöhnlich zur Folge haben, das gegenwärtige Unbehagen, die Ungewissheit über die Zukunft, das alles begünstigt die Umsturzpläne. Zitiert nach: Klaus Müller (Hrsg.), a. a. O., S. 366 f. 1. Erläutern Sie, wen Talleyrand mit den Gegnern der „Ordnung“ meint. 2. Arbeiten Sie Talleyrands Grundüberzeugung heraus. 5 10 5 10 15 20 25 15 i Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord. Marmorbüste (Höhe: 75 cm) von Louis Desprez, 1839. Der 1754 geborene Talleyrand wurde 1788 Bischof, ein Jahr später schloss er sich der Revolution an. 1792 ging er ins Exil nach England und in die USA, von 1797 bis 1807 war er erstmals Außenminister Frankreichs. Napoleons Eroberungspolitik gegenüber Österreich lehnte er ab. 1809 wurde er von Napoleon fallengelassen. 1814 trug er entscheidend zur Rückkehr der Bourbonen auf den Thron bei und wurde erneut Außenminister. Talleyrand starb 1838. 1 Gemeint ist das europäische Staatensystem. 438 Europäische Friedensordnung nach den Napoleonischen Kriegen 4677_1_1_2015_424-451_Kap12.indd 438 17.07.15 12:18 Nu r z u Pr üf zw e ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn r V er la gs | |
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