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M1 Legitimität, Legalität und Restauration Horst Möller, von 1982 bis 1989 Professor für Neuere Geschichte in Erlangen, erläutert 1989 die zentralen Begriffe der Wiener Ordnung so: Sosehr sich die Staatsmänner über die fundamentalen Prinzipien einig waren, der Teufel steckte auch hier im Detail. Doch diese Fragen bewiesen zugleich, dass der Begriff „Restauration“ und mit ihm der der „Legitimität“ für Metternich und die in dieser Hinsicht gleichgesinnten Staatsmänner keineswegs einen reaktionären Sinn besaß. Metternich war ein Pragmatiker, kein Dogmatiker. So trug er selbst wieder und wieder zur Akzeptierung der durch die Revolution und Napoleon geschaffenen Veränderungen bei, als er die territorialen Folgen von Säkularisation und Mediatisierung anerkannte und die Aufl ösung des alten Reiches als unveränderbaren Tatbestand betrachtete: „Metternich entschied sich für die Legalität der territorialen Veränderungen und gegen die Legitimität unantastbarer Herrschaftsrechte“ [Ernst Rudolf Huber]. Es ging ihm also keineswegs um die Wiederherstellung der vorrevolutionären politischen Verhältnisse oder der deutschen Staatenwelt der Zeit vor 1803/1806, sondern um eine Restauration der europäischen Ordnung. Sie bedurfte des Gleichgewichts der Großmächte, sie bedurfte der Legitimität, wo sie nicht erschüttert worden war, und der Legalität, wo Ordnung entstanden war. […] Im Zweifel für die Ordnung – so lautete die Devise Metternichs, und zu ihr gehörte auch die bestehende Ordnung. Diesem Stabilitätsdenken entsprach es, die nationale Dynamik einzudämmen; Metternich setzte der nationalistischen Bewegung und ihren unkalkulierbaren Risiken ein Staatensystem entgegen. Die deutsche Frage wollte er in diesem Sinne staatenbundlich, nicht nationalstaatlich lösen. Das mochte eineinhalb Jahrhunderte lang konservativ wirken, aber im Lichte der politischen Erfahrungen erscheint seine Konzeption unglaublich modern. Konservativ war daran allein die fürstenstaatliche Komponente, doch gab es zu ihr im Zeitalter Metternichs und in seinem Staatensystem keine realisierbare Alternative. Horst Möller, Fürstenstaat oder Bürgernation. Deutschland 1763 1815, Berlin 1994, S. 652 1. Erläutern Sie auf der Grundlage der Ausführungen die Begriffe Legalität, Legitimität und Restauration. 2. Metternichs Konzeption sei „unglaublich modern“ und gleichzeitig „konservativ“. Erörtern Sie Möllers These. H Bereiten Sie die Erörterung im Placemat-Verfahren vor. M2 Der Deutsche Bund – ein Friedensstaat Der Göttinger Historiker Arnold Hermann Ludwig Heeren urteilt 1816 aus europäischer Sicht: [Der Deutsche Bund] berührt, ganz oder beinahe, die Hauptstaaten des Westens und Ostens; und nicht leicht kann auf der einen oder der anderen Seite unseres Weltteils sich etwas ereignen, was ihm gleichgültig bleiben könnte. Aber in Wahrheit, auch den fremden Mächten kann es nicht gleichgültig sein, wie der Zentralstaat von Europa geformt ist! Wäre dieser Staat eine große Monarchie mit strenger politischer Einheit; ausgerüstet mit allen den materiellen Staatskräften, die Deutschland besitzt – welcher sichere Ruhestand wäre für sie möglich? Wäre er auch nicht für sich allein mächtig genug zum Erobern, was bedürfte es mehr als seiner Allianz mit einer Hauptmacht im Westen – um den Osten, mit einer Hauptmacht im Osten, um dem Westen gefährlich zu werden? Um bei jedem ausbrechenden Kriege den Weg nach Moskau oder nach Paris sich zu eröffnen? Ja! Würde ein solcher Staat lange der Versuchung widerstehen können, die Vorherrschaft in Europa sich zuzueignen, wozu seine Lage und seine Macht ihn zu berechtigen scheinen? […] Ein deutscher Staatenbund bildet also wieder den Mittelpunkt des Europäischen Staatensystems; und damit ist seine Freiheit, in dem oben erklärten Sinne, nicht bloß ausgesprochen, sondern auch begründet. Ein solcher Bund kann seiner Natur nach schon nicht leicht Eroberer sein wollen, weil er kein Interesse dabei hat. Welchen Vorteil zöge er aus den Eroberungen; und wem sollten sie zugute kommen? Für die Vorteile eines einzelnen seiner Glieder werden die anderen nicht kämpfen; und Eroberungen für das Ganze wären nur insofern denkbar, als man etwa einen fremden Staat zwingen wollte, dem Bunde beizutreten; ein Fall, der hier so außerhalb der Grenzen der Wahrscheinlichkeit liegt, dass es unnütz sein würde, sich dabei zu verweilen. Aber gesetzt auch, er wollte erobern, so fehlen ihm die Mittel dazu. Es liegt, aus leicht einzusehenden Gründen, in dem Charakter eines Bundesstaates, dass, wie stark er auch zur Verteidigung sein mag, er doch schwach zum Angriff ist; vor allem wo er, wie hier, auf beiden Seiten von mächtigen Monarchien eingeschlossen wird. Mit Recht werden wir also den Deutschen Bund den Friedensstaat von Europa nennen können […]. Zitiert nach: Hagen Schulze und Ina Ulrike Paul (Hrsg.), Europäische Geschichte. Quellen und Materialien, München 1994, S. 188 f. Erläutern Sie Heerens Aussage, dass es nicht gleichgültig sein kann, „wie der Zentralstaat von Europa geformt ist“ (Zeile 6). 5 10 15 20 25 30 5 10 15 20 25 30 35 440 Europäische Friedensordnung nach den Napoleonischen Kriegen 4677_1_1_2015_424-451_Kap12.indd 440 17.07.15 12:18 N r z u Pr üf zw ck en Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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