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Geschichte regional478 Geschichte regional Die Reparationen machen Probleme Die Zahlung der im Versailler Vertrag begründeten und von den Siegermächten festgelegten Wiedergutmachungsleistungen zählte zu den zentralen Problemen der jungen Weimarer Republik. Sie sah sich angesichts der sozialen und wirtschaftlichen Lage der Nachkriegszeit und der einsetzenden Infl ation nicht in der Lage, die Forderungen zu erfüllen. Zwar konnten Zahlungsaufschübe vereinbart werden, aber insgesamt blieb bei den Alliierten, vor allem bei der französischen Regierung, der Verdacht, dass der Reichsregierung die wirtschaftlichen Schwierigkeiten gerade recht seien, um die Reparationszahlungen zu verzögern. Ein Krieg nach dem Krieg Nachdem das Deutsche Reich 1922 in Verzug mit Sachlieferungen von Telegrafenstangen und Kohle geraten war, kamen Frankreich, Belgien und Italien gegen den Widerspruch Großbritanniens überein, ihre Forderungen mit Gewalt durchzusetzen. Sie konnten sich dabei auf den Versailler Vertrag berufen, der ihnen das Recht zu Sanktionen bei schuldhaften Verzögerungen der deutschen Leistungen zubilligte. Die Regierung in Berlin sah die Gefahr, glaubte sie aber politisch nutzen zu können (u M1). Am 11. Januar 1923 besetzten französische und belgische Truppen das Ruhrgebiet – angeblich zum Schutze von Mitarbeitern ihrer Reparationskommissionen. Soldaten übernahmen die Kontrolle von Kohlengruben, Zechen und Verwaltungen, und das Ruhrgebiet wurde durch eine Zollgrenze vom übrigen Reich abgeschlossen. Eine Welle der nationalen Empörung ging durch das Land. Anhänger und Feinde der Republik, radikale Nationalisten und Kommunisten protestierten gegen das Vorgehen der Besatzer. Die Reichsregierung rief die Bevölkerung am 10. Januar zum passiven Widerstand auf. Arbeiter, Angestellte und Beamte stellten im Ruhrgebiet ihre Arbeit ein und das Reich begann, sie und die Unternehmer fi nanziell zu unterstützen. Die Besatzer reagierten unmissverständlich: Sie beschlagnahmten alle verfügbaren Gelder, verhängten massive Strafen gegen alle, die sich weigerten, ihren Befehlen nachzukommen, und wiesen vor allem Beamte einschließlich ihrer Familien aus dem Ruhrgebiet aus. Industrie, Verwaltung und Verkehr lagen lahm. Bald fehlte es an Nahrungsmitteln. Hunger und Krankheit waren die Folge. Sabotageakte und Sprengstoffattentate von Freikorps und Nationalsozialisten verschärften die Lage. Zuletzt waren 100 000 Besatzungssoldaten im Einsatz (u M2). Das Ende Als Stresemann im Herbst 1923 neuer Reichskanzler wurde, führte kein Weg am Abbruch des passiven Widerstandes vorbei. Die Kosten dafür waren nicht mehr aufzubringen und hatten zur Hyperinfl ation beigetragen. Zahlten die Menschen im Ruhrgebiet Anfang Juli schon 8 000 Mark für ein Pfund Kartoffeln, mussten sie 14 Tage später dafür bereits 100 000 Mark ausgeben. Außerdem bröckelte der Widerstand, zumal es den französischen Ingenieuren und Eisenbahnern gelungen war, die Wirtschaft für ihre Zwecke in Gang zu bringen. Am 26. September 1923 verkündeten Reichspräsident und Reichsregierung den Abbruch des „Ruhrkampfes“ (u M3). Zur gleichen Zeit agitierten in Bayern die Nationalsozialisten und in Sachsen und Thüringen beseitigte die Reichswehr gewaltsam die gewählten Regierungen, um angeblichen kommunistischen Putschversuchen zuvorzukommen.* Bis Ende 1923 konnten die innenpolitischen Krisen (einschließlich des Hitler-Putsches) überwunden werden. Auch das Verhältnis zu den Westmächten wurde besser. Letztlich war der „Ruhrkampf“ auch für die Besatzer kein Erfolg: Trotz Währungsreform von 1924 konnte das Reich die Wiedergutmachungsleistungen nicht in voller Höhe erbringen. Der „Ruhrkampf“ von 1923 i „Nein! Mich zwingt ihr nicht!“ Plakat (90 x 60 cm) von 1923. Der Anschlag wurde von der „Reichszentrale für Heimatdienst“ in Berlin herausgegeben. Diese Behörde war der Reichsregierung unterstellt. * Siehe dazu S. 191. 4677_1_1_2015_452-481_Kap13.indd 478 17.07.15 12:18 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn r V er la gs | |
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