Volltext anzeigen | |
Kompetenzen prüfen 235 Marcel Fratzscher: Schäubles schwarze Null sendet ein fatales Signal Die Bundesregierung hat erneut ihren Willen bekundet, an einer schwarzen Null, also einem ausgeglichenen Bundeshaushalt für 2015, festzuhalten. Für manche mag ein ausgeglichener Haushalt wie eine solide Finanzpolitik aussehen. Sie bedeutet jedoch das Gegenteil: sie könnte die deutsche Wirtschaft schwächen und Arbeitsplätze gefährden. Und sie sendet ein fatales Signal an die deutsche Wirtschaft und an Europa. Das Wachstum für 2015 wird wohl nicht mehr bei 2,0 Prozent liegen, wie noch vor ein paar Monaten angenommen, sondern nur noch bei 1,2 Prozent – so sagen es jedenfalls die Wirtschaftsforschungsinstitute voraus. Die Arbeitslosigkeit wird nicht weiter sinken, sondern steigen, und könnte die Drei-Millionen-Marke überschreiten. Die Lohnentwicklung wird wohl weniger dynamisch sein. Und die deutsche Wirtschaft produziert noch immer unter ihrem Potenzial. In einer solchen Situation ist es Aufgabe der Politik, die Wirtschaft zu stützen und eine Erhöhung der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Nicht nur verweigert sich die Politik der schwarzen Null dieser Aufgabe; sie könnte eine noch stärkere Abschwächung verursachen. Denn ein Ausfall von Steuereinnahmen und höhere Sozialausgaben könnten die Bundesregierung zwingen, ihre Gesamtausgaben zu kürzen, um einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Dies würde die Wirtschaftsleistung noch weiter senken. Die Risiken deuten auf eine noch stärkere konjunkturelle Abschwächung hin. Große Bankenpleiten oder Staatsschuldenprobleme, politische Krisen in Frankreich oder Italien oder eine Eskalation der geopolitischen Konflikte in der Ukraine oder im Mittleren Osten könnten alle die europäische und die deutsche Wirtschaft weiter schwächen. In einer solchen Situation ist es Aufgabe der Politik, ein klares Signal der Unterstützung an die Wirtschaft zu senden. Die Politik der „Schwarzen Null” tut genau das Gegenteil, indem sie eine restriktive Finanzpolitik signalisiert. Dies steht im Widerspruch mit der Logik der Schuldenbremse: die Schuldenbremse soll sicherstellen, dass der Staat in guten Zeiten Schulden abbaut, um in schlechteren Zeiten die Wirtschaft unterstützen und eine höhere Arbeitslosigkeit verhindern zu können. Die Lage der deutschen Konjunktur heute ist alles andere als gut. Aber auch für Europa ist die Finanzpolitik der Bundesregierung ein fatales Signal. Wir fordern zu Recht entschiedene Strukturreformen und eine solide Haushaltspolitik von unseren Nachbarn. Aber gleichzeitig weigern wir Deutsche uns mit der Politik der schwarzen Null Wachstum in Deutschland und Europa zu unterstützen. Marcel Fratzscher, Schäubles schwarze Null sendet ein fatales Signal, www.berlineroeconomics.diw.de, 15.10.2014 5 10 15 20 25 30 II. Klausurtraining Aufgaben 1. Stellen Sie die Zielsetzung, Kriterien und Sanktionsmechanismen des Fiskalpaktes dar. 2. Analysieren Sie den Text im Hinblick auf die Position des Autors zur „schwarzen Null“ und arbeiten Sie heraus, welche wirtschaftspolitischen Vorstellungen der Ansicht des Autors zugrunde liegen. 3. Erörtern Sie kriteriengeleitet mögliche wirtschaftliche und soziale Auswirkungen einer an den Vorschlägen von Fratzscher orientierten Wirtschaftspolitik. Berücksichtigen Sie einen wirtschaftlichen und einen sozialen Aspekt. Erwartungshorizonte zu den Aufgaben 1 – 3 Mediencode: 72022-15 Nu r z u Pr üf zw ec k n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
![]() « | ![]() » |
» Zur Flash-Version des Livebooks |