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2558.5 Vertiefung: Vereinigte Staaten von Europa b) Joschka Fischer: „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Lissabon-Vertrag ist rückwärtsgewandt und realitätsfremd“ Weder beim Verfassungsvertrag noch beim Vertrag von Lissabon ging es jemals um einen europäischen Bundesstaat, auch nicht schleichend oder verdeckt. Ganz im Gegenteil beinhalten beide Verträge gerade die Abkehr von der klassischen föderalen Position, einen europäischen Bundesstaat anzustreben. Die Grundlage des Verfassungswie des Lissabon-Vertrags ist der Staatenverbund mit integrativen und demokratischen Elementen in seinen Institutionen. Mehr Transparenz und demokratische Repräsentanz nach innen und mehr Geschlossenheit und Effizienz nach außen zur Wahrung der gemeinsamen Interessen von Mitgliedstaaten und Bürgern zu schaffen sind die zentralen Ziele beider Verträge. Diese Ziele waren nur zu erreichen durch einen Ausgleich zwischen den sich entgegenstehenden Grundpositionen in der europäischen Konstruktion: zwischen föderal, das heißt den Ausbau gemeinsamer europäischer Institutionen unterstützend, und intergouvernemental, das heißt vor allem auf die Zusammenarbeit der nationalen Regierungen setzend. Europa ist ein kompliziertes Konstrukt, weil unterschiedliche politische und rechtliche Kulturen, Sprachen, Geschichten, Interessen und Traditionen zusammenzubringen sind. Ein einfaches Europa wird es deshalb niemals geben. Das Bundesverfassungsgericht hat es sich sehr einfach gemacht, indem es den Gegensatz zwischen mehr und mehr Souveränität okkupierenden europäischen Institutionen und den allein demokratisch legitimierten Mitgliedstaaten beschwört. Dieser von den Richtern konstruierte Gegensatz ist gleichermaßen banal wie fragwürdig, weil er eine Fiktion zweier getrennter Sphären aufbaut, die sich fast feindlich gegenüberstehen und deren eine Seite, die nationale, voll demokratisch legitimiert ist, während die zweite, nämlich die europäische Seite, nur unzureichend bis gar nicht demokratisch legitimiert ist. Die eigentliche Herausforderung für Politik und Verfassungsrecht besteht aber gerade in dem Prozess der Durchdringung dieser beiden Sphären, welche die europäische Realität bestimmt. Joschka Fischer, Lissabon Vertrag – ein nationaler Riegel, www.zeit.de, 10.7.2009 30 35 40 45 50 5 10 15 20 25 Aufgaben 1. Beurteilen Sie die Sicht des Karikaturisten bezüglich der Kompetenzverteilung zwischen Brüssel und Berlin (M11). 2. Analysieren Sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag von Lissabon (M12). Beachten Sie bei Ihrer Analyse die folgenden Fragestellungen: Wie interpretiert das Bundesverfassungsgericht den Vertrag von Lissabon? Wie sieht das Bundesverfassungsgericht die Rolle der nationalen Parlamente auf der Grundlage des Vertrages? Was bedeutet eine noch stärkere Integration Europas für das Grundgesetz? 3. Vergleichen Sie die beiden Stellungnahmen zu dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (M13a und b) und arbeiten Sie jeweils den Argumentationsgang von Paul Kirchhof und Joschka Fischer heraus. 4. Beurteilen Sie die Schlussfolgerung von Paul Kirchhof, dass es „Vereinigte Staaten von Europa“ nicht geben werde. 5. Entwickeln Sie in Gruppenarbeit ein Zukunftsszenario, in dem Sie Ihre Konzeption von Europa im Hinblick auf das Maß der Integration darstellen. H Aufgabe 1 Analysieren Sie zunächst die wesentlichen Bestimmungen des Vertrags von Lissabon (M7) und stellen Sie diese z.B. auf einer Wandzeitung zusammen. Joschka Fischer, Die Grünen, Außenminister der Bundesrepublik Deutschland von 19982005, sieht das Urteil des Bundesverfassungsgerichts als rückwärtsgewandt und realitätsfremd. Nu r z u Pr üf zw ck n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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