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36912.4 Vertiefung: Ist die abschlagsfreie Rente mit 63 ein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit? arbeiten mussten und öfter arbeitslos waren, fallen mit ihren Renten unter das Grundsicherungsniveau. Jede zweite Rente liegt derzeit unter 700 Euro. Müntefering hat das Problem in die Sozialkasse verschoben. Ist das generationengerecht? Armutsverhinderungskosten müssen, egal aus welchem Topf sie bezahlt werden, von den Generationen getragen werden, die im Erwerbsleben stehen – wollen sie die Alten nicht verelenden lassen. Die Nahles-Reform ist Ausdruck der Wertschätzung für Menschen, die sehr lange gearbeitet haben; sie bewahrt viele Menschen vor dem Gang zum Sozialamt. Und die Reform ist schließlich Ausgangspunkt dafür, das System der Altersgrenze so zu verändern, dass es der neuen Arbeitsund Altersgesellschaft entspricht. © Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH, Gerechtes System oder verkehrte Welt?, www.sueddeutsche.de, 01.02.2014 1 Franz Müntefering, SPD, war von 2005 bis 2007 Bundesminister für Arbeit und Soziales. Die Rente mit 63 ist ungerecht (Marc Beise) Das Beste, was man über die Rentenpläne der Koalition sagen kann, ist, dass sie gut gemeint sind. Sie sollen für mehr Gerechtigkeit sorgen, das ist das Anliegen der SPD-Politikerin Andrea Nahles. Das Gerechtigkeitsargument mag man vielleicht noch nachvollziehen, insofern man den einzelnen Arbeitnehmer in den Blick nimmt, den heute 62-Jährigen beispielsweise, der auf die geforderten 45 Beitragsjahre kommt und also bald schon mit 63 ohne Abschläge in Rente gehen kann. Wobei schon hier diskutiert werden kann, ob das wirklich eine Frage der Gerechtigkeit ist oder einfach eine zusätzliche Sozialleistung des Staates. Dafür wird das Gerechtigkeitspostulat an zahlreichen anderen Stellen verletzt. So muss die Maßnahme letztlich von der nächsten Generation bezahlt werden – dabei hat auch sie einen Anspruch auf Gerechtigkeit. Die Koalition aber verfährt nach dem Prinzip: Geld spielt keine Rolle, und nach uns die Sintflut. Die NahlesReform kostet zwei bis drei Milliarden Euro jährlich, die vorläufig noch aus einer gut gefüllten Rentenkasse bezahlt werden können. Nimmt man andere geplante Maßnahmen dazu wie die vor allem von der Union betriebene Ausweitung der Mütterrente sowie noch andere Leistungsausweitungen, dann kommt man auf neun bis elf Milliarden Euro pro Jahr. Das macht bis 2030 atemberaubende 160 Milliarden Euro. Das wird, sauber durchgerechnet zu heutigen Zahlen, dazu führen, dass ab 2019 die Kasse leer ist. Dann bleibt nur der Weg über höhere Beiträge der Arbeitsbevölkerung und/oder Leistungskürzungen zukünftiger Rentner oder eine direkte Steuerfinanzierung. Wenn der Beitragssatz wie üblich auch für die Arbeitgeber erhöht wird, kostet das Arbeitsplätze. Ist das alles gerecht? Eine weitere Ungerechtigkeit wird mit einem Achselzucken hingenommen, die sonst immer gerne problematisiert wird: die Benachteiligung von Frauen und Müttern. Sie kommen nämlich typischerweise nicht auf die langen Arbeitszeiten. Das Nahles-Gesetz ist ein Männer-Gesetz. […] Gut gemeint, aber unvernünftig: Die Rente mit 63 steht im klaren Widerspruch zur gesellschaftlichen Wirklichkeit. Es ist doch offensichtlich, dass sich die Bun40 45 5 10 15 20 25 Marc Beise, deutscher Journalist bei der Süddeutschen Zeitung, vertritt die Meinung, dass die Rente mit 63 ungerecht sei.Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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