Volltext anzeigen | |
Kompetenzen prüfen 377 Perspektivisch droht das Gemeinwesen in einen Wohlfahrtsmarkt sowie einen Wohltätigkeitsstaat zu zerfallen: Auf dem Wohlfahrtsmarkt kaufen sich BürgerInnen, die es sich finanziell leisten können, soziale Sicherheit (zum Beispiel Altersvorsorge durch Versicherungspolicen). Dagegen stellt der „postmoderne“ Sozialstaat nur noch euphemistisch „Grundsicherung“ genannte Minimalleistungen bereit, die Menschen vor dem Verhungern und Erfrieren bewahren, überlässt sie ansonsten jedoch der Obhut karitativer Organisationen und privater WohltäterInnen. […] Kennzeichnend für den deutschen Wohlfahrtsstaat war seit den Sozialreformen im wilhelminischen Kaiserreich, dass die Lohnarbeiter gegen allgemeine Lebensrisiken versichert wurden. Durch die Zahlung von Beiträgen, an der sich ihre Arbeitgeber später halbparitätisch beteiligten, erwarben sie – mittlerweile sogar verfassungsrechtlich geschützte – Ansprüche, die beim Eintritt des Versicherungsfalls erfüllt werden mussten. Das lohnund beitragsbezogene Sicherungssystem der Bundesrepublik entspricht aufgrund des gültigen Äquivalenzprinzips (Balance von Leistung und Gegenleistung), welches Einund Auszahlungsbeträge etwa in der Gesetzlichen Rentenversicherung miteinander in eine Kausalbeziehung, wenn auch nicht völlig zur Deckung bringt, weitgehend der herrschenden Leistungsideologie und einem meritorischen Gerechtigkeitsverständnis. Trotzdem droht der Sozial(versicherungs)staat, seit Bismarck darauf gerichtet, vor Standardrisiken zu schützen, als Fürsorgesystem zu enden, das einerseits weniger durch Beiträge von Arbeitgebern und Versicherten als durch Steuermittel finanziert wird und andererseits nicht mehr den Lebensstandard seiner Klientel erhält, sondern dieser nur noch eine Basisversorgung (bloße Existenzsicherung) angedeihen lässt. Parallel dazu erhöht sich die gesellschaftliche Akzeptanz von Armut und sozialer Ausgrenzung, während die Akzeptanz der Armen selbst aufgrund des sich ausbreitenden Wohlstandschauvinismus, Sozialdarwinismus und Standortnationalismus zurückgeht. Deshalb ist auch damit zu rechnen, dass sich der Umgang mit sozial Benachteiligten, vor allem mit „aggressiven Bettlern“ und „Asozialen“, verhärten und ein strengeres Armutsregime errichtet wird. Christoph Butterwegge, Die Zukunft des Sozialstaates, in: Ossietzky – Zweiwochenschrift für Politik, Kultur, Wirtschaft, Heft 20/2011, www.sopos.org, Abruf am 28.6.2015 Aufgaben 1. Stellen Sie die verfassungsrechtlichen Grundlagen und zwei Grundprobleme des deutschen Sozialstaats dar. 2. Analysieren Sie die Kritik von Butterwegge an der Entwicklung des Sozialstaates in Deutschland seit den 1970er Jahren. 3. Erörtern Sie kriteriengeleitet die Kritik Butterwegges im Hinblick auf die Kriterien Gerechtigkeit und Machbarkeit. 45 50 55 60 65 70 Erwartungshorizont zu den Aufgaben 1 – 3 Mediencode: 72022-20 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn e V er la gs | |
![]() « | ![]() » |
» Zur Flash-Version des Livebooks |