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55718.4 Vertiefung: „Vormacht wider Willen“ oder „deutsches Europa“ räume innerhalb der EU zu vergrößern. Das kann so weit gehen, dass dabei die Grundlagen des gemeinsamen Marktes in Europa, also Entscheidungen aus den 1950er-Jahren, in Frage gestellt werden, um einen populistisch aufbereiteten Protektionismus zu propagieren, durch den die wirtschaftlichen Probleme, in die man geraten ist, bewältigt und die sozialen Verwerfungen, mit denen man zu tun hat, beseitigt werden sollen. Die von Rechtswie Linkspopulisten propagierte Rückkehr zum abgeschotteten Nationalstaat wird durch die Kritik an der angeblichen Hegemonie Deutschlands in der EU flankiert. Die deutsche Geschichte wird dabei zum polemischen Strategen von Politikern, denen die Vertragsbedingungen der EU und die Konditionen der finanziellen Hilfe durch die europäischen Partner unbequem geworden sind. Deutschland bzw. ein Ausschnitt aus seiner Geschichte wird zum Hebel, um das Regelwerk der EU zu lockern und es den eigenen Bequemlichkeiten anzupassen. […] Das verfasste Europa ist zu groß und zu komplex geworden, als dass sich seitens einer Macht in der Mitte die alte und politisch bequeme Rolle des leading from behind weiterhin praktizieren ließe. In ganz anderem Maße als früher und außerdem mit viel größerer Entschiedenheit ist auf die Einhaltung der Verträge zu achten und dafür zu sorgen, dass die Union nicht in satter Selbstzufriedenheit notorisch über ihre Verhältnisse lebt und dabei den Anschluss an die dynamische Entwicklung der Weltwirtschaft verliert. „Zahlmeister“ kann auf Dauer nur sein, wer auch bereit ist, die schwierige Definition der Macht in der Mitte: dass sie beides, „Zahlmeister“ wie „Zuchtmeister“, zu sein bereit und in der Lage sein muss. Europa ist heute sicherlich nicht mehr das Zentrum der Weltwirtschaft, das es einmal gewesen ist, und wird es auch nicht mehr werden. Aber es muss darauf achten, nicht an den Rand der Weltwirtschaft gedrängt und marginalisiert zu werden. Das ist die vielleicht wichtigste Aufgabe, die der Macht in der Mitte obliegt: ökonomisch in einer globalen Wirtschaft mithalten zu können und dabei die anderen Länder der EU mitzuziehen. […] Die überproportionale Wirtschaftskraft der Bundesrepublik Deutschland in der EU und die starke Position der deutschen Wirtschaft im globalen Rahmen machen dies möglich. Das hat freilich zur Folge, dass tendenziell jede Kapitalismuskritik, die seit geraumer Zeit durchweg als Globalisierungskritik daherkommt, immer auch eine Kritik an Deutschland und seiner Rolle in der EU ist und sein wird. Den Deutschen geht es damit im EU-Rahmen so ähnlich wie den USA im globalen Rahmen. Es gehört zu ihrer neuen Rolle in der EU, das aushalten zu müssen. Herfried Münkler, Macht der Mitte, Hamburg 2015, S. 172 f., 179 f. 65 70 75 80 85 90 95 35 40 45 50 55 60 Aufgaben Bearbeiten Sie M9 – M12 in arbeitsteiliger Gruppenarbeit. 1. Stellen Sie in Thesenform die zentralen Argumente von M9, M10, M11 und M12 dar und entwickeln Sie eine begründete Stellungnahme, die Sie ebenfalls in Stichpunkten notieren. 2. Präsentieren Sie die Position Ihres Autors und Ihre Stellungnahme jeweils im Kurs und führen Sie nach der Präsentation Ihrer Ergebnisse eine Diskussion mit den anderen Kursmitgliedern. Die Diskussion sollte ein Mitglied aus Ihrer Gruppe leiten. 3. Erörtern Sie in einer abschließenden Pround Kontra-Diskussion (J Methodenglossar), welche Argumente zur Rolle Deutschlands in der EU Sie insgesamt überzeugend finden und welche weniger. Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d e C .C .B uc ne r V er la gs | |
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