Volltext anzeigen | |
Grundlagen: Eurosystem und Verschuldungskrise 105 Grundlagen: Eurosystem und Verschuldungskrise Warum ist eine unabhängige Zentralbank wichtig? gedrucktem Geld bezahlt. Weil die Gläubiger das jedoch antizipieren [vorhersehen und entsprechend reagieren] können, führt das dazu, dass man der Regierung nur sehr ungern Kredit gewährt, und schon befinden sich Regierung und Gläubiger in einer „Dilemmastruktur“: Die Regierung kann keine Kredite mehr aufnehmen – zum Schaden aller. Ein anderes Beispiel: Die Gewerkschaften erklären sich zu einem maßvollen Tarifabschluss bereit aufgrund der Zusicherung der Regierung, dass man den Geldwert stabil halten wird. Nach Abschluss der Verhandlungen könnte dann indes die Regierung geneigt sein, durch eine Ausweitung der Geldmenge die Beschäftigung zu erhöhen nach dem Motto „lieber mehr Inflation als mehr Arbeitslosigkeit“. Genau das aber werden die Gewerkschaften antizipieren und sich deshalb erst gar nicht auf einen gemäßigten Abschluss einlassen. Auch hier liegt eine Dilemmastruktur vor […]. Die heutigen geldpolitischen Maßnahmen dienen vor allem dazu, den wirtschaftenden Akteuren Erwartungen über künftige Rahmenbedingungen zu ermöglichen, an denen sie ihre Pläne und Handlungen ausrichten können, etwa bei der Aufnahme von Krediten zu bestimmten Zinsen, der Festlegung einer Preispolitik und eben auch der Aushandlung von Tarifabschlüssen. Die Verlässlichkeit dieser Erwartungen hängt maßgeblich ab von der Glaubwürdigkeit der Regierung, das Ziel der Geldwertstabilität nicht kurzfristig anderen Zielen unterzuordnen. Eine Besonderheit der skizzierten Dilemmastrukturen liegt nun darin, dass sich die Regierung daraus befreien kann – durch eine glaubwürdige Selbstbindung. Dazu muss sie sich selbst die Handlungsoption nehmen, in künftigen Perioden um anderer Ziele willen die Geldwertstabilität zu beeinträchtigen. Eine Möglichkeit bestünde darin, der Zentralbank feste – möglicherweise in der Verfassung verankerte – Regeln vorzugeben, sodass sowohl die Zentralbank als auch die Regierung praktisch keinen Spielraum haben, von dem so vorgezeichneten Kurs abzuweichen. Das Problem ist jedoch, eine solche ReBerechenbarkeit statt „Inkonsistenz“ Die Zentralbank als zuständiger Agent für die Kontrolle der Geldwertentwicklung wird – im Auftrag der Bürger – von der Regierung eingesetzt. Dabei stellt sich die Frage, welche Weisungen ihr die Regierung geben sollte, und auch, welche Anreize die Regierung hat, der Zentralbank jene Weisungen zu geben, die im Interesse der Bürger sind. Eine Möglichkeit bestünde darin, dass die Zentralbank alle Weisungen von der Regierung erhält. Das hat den Vorzug, dass die Regierung selbst auf diese Weise mehr oder weniger direkt die Kontrolle der Geldwertentwicklung in Abhängigkeit von den jeweiligen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen ausüben kann. So hätte sie generell das Ziel der Geldwertstabilität, könnte aber dann, wenn beispielsweise die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt [Arbeitslosigkeit] eine expansivere [Geldmengen ausweitende] Geldpolitik vorteilhaft erscheinen lassen würde, diese problemlos durchsetzen. Deutsche Bundeskanzler und Minister haben das versucht. Doch genau darin liegt auch das gravierende Problem, das in der Ökonomik erörtert wird unter der Bezeichnung „dynamische Inkonsistenz“. Er steht für das Phänomen, dass ein Akteur i zum Zeitpunkt t1 Maßnahmen ankündigt – und sich andere Akteure an diesen Ankündigungen orientieren –, i jedoch zum Zeitpunkt t2 anders handelt, weil es ihm dann vorteilhafter erscheint. Nehmen wir beispielsweise an, die Regierung plane heute Maßnahmen, die Bindungswirkungen für künftige Perioden haben, so z. B. eine bestimmte Geldpolitik zur Erhaltung der Stabilität des Geldwerts. Nun kann sich in einer dieser künftigen Perioden ergeben, dass aufgrund veränderter gesellschaftlicher Bedingungen, die man nicht vorhergesehen hat, eine Abweichung von der geplanten Politik für die Regierung zweckmäßig wäre. Ein naheliegendes Beispiel dafür ist, dass die Regierung sich unvorhergesehener Geldsorgen entledigen will, indem sie Gläubiger mit selbst 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um de s C .C .B uc hn er V er la gs | |
![]() « | ![]() » |
» Zur Flash-Version des Livebooks |