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Kontroverse 205 Nach der Katastrophe versuchten die Siegermächte, auch ökonomische Konsequenzen zu ziehen. Nie wieder sollte die Welt in kollektive ökonomische Unvernunft verfallen wie nach 1929, nie wieder sollten sich Länder zu ruinösen Abwertungswettläufen gezwungen fühlen, um ihre Wirtschaft zu schützen. Deshalb erfanden Keynes und der Staatssekretär im amerikanischen Finanzministerium, Harry D. White, eine Art Versicherung gegen Zahlungsbilanzkrisen, den Internationalen Währungsfonds (IWF). Die Alliierten gründeten ihn bereits im Sommer 1944 in Bretton Woods im US-Bundesstaat New Hampshire. Gleichzeitig riefen sie eine Institution ins Leben, die Kapitalmangel beim Wiederaufbau verhindern sollte, die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, kurz: Weltbank. Schließlich verabredeten die Siegermächte 1948 eine Reihe von Regeln, die künftige Handelskriege verhindern sollten: Alle Länder müssen ihre Handelspartner gleich behandeln („Meistbegünstigungsprinzip“), ausländische Waren sollen, wenn sie einmal im Land sind, inländischen gleichgestellt werden („Inländerbehandlung“). Die Regeln wurden im Allgemeinen Zollund Handelsabkommen (GATT) mit einem Sekretariat in Genf festgeschrieben. Das GATT organisierte seither mehrere Liberalisierungsrunden, die schließlich 1993 in der Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) mündeten. Auch dank dieser Institutionen wurde die Reglobalisierung der Welt nach 1945 ein überwältigender Erfolg: Die industrialisierten Länder erlebten einen Anstieg des Wohlstands, wie es ihn nie zuvor in der Geschichte gegeben hat. Doch nun, da sich das Tempo der Globalisierung vor allem dank des technischen Fortschritts beschleunigt hat, wird die Globalisierungskritik wieder lauter. Das ist zunächst verständlich, angesichts der Umbrüche, die der ökonomische Wandel auslöst. Beunruhigend ist, dass sich der Protest vor allem gegen die Institutionen richtet, die den Prozess der Globalisierung ordnen und ruinöse Entwicklungen verhindern sollen: die WTO, IWF und Weltbank, Gipfeltreffen der EU, selbst das private und informelle Weltwirtschaftsforum in Davos. Insofern beruht der Widerstand bei vielen der Protestierenden auf einem Missverständnis. Vielleicht kann der Blick auf die Geschichte dazu beitragen, einige dieser Missverständnisse auszuräumen. (Nikolaus Piper, in: Süddeutsche Zeitung v. 21.11.2002, S. 3) Kontra: BRICS-Institute versus IWF und Weltbank – segensreiche Konkurrenz Billiges Fleisch für alle! Großdemonstration in Wien im Jahre 1911 mit der Forderung an die Regierung, Fleischimporte aus Argentinien zuzulassen. Während der asiatischen Finanzkrise 1997/98, als Länder mit mittlerem Einkommen von umfangreichen Kapitalabflüssen hart getroffen wurden, unternahmen China, Japan, Taiwan und andere den Versuch, einen Asiatischen Währungsfonds zu schaffen, der Zahlungsbilanzhilfe anbieten sollte. Damals legte Washington sein Veto ein. Doch die Welt hat sich in den letzten 15 Jahren stark verändert. Die USA bestanden darauf, dass jegliche Hilfe über den Internationalen Währungsfonds laufen sollte. Das Ergebnis war katastrophal und bestand u. a. in einer unnötig tiefen Rezession in der Region, da der IWF als „lender of last resort“ versagte und obendrein alle möglichen schädlichen und unnötigen Konditionen an seine Kredite knüpfte. Mitte Juli 2014 beschlossen die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika), einen eigenen Währungsfonds (das „Contingent Reserve Arrangement“ – CRA) und die Neue Entwicklungsbank (NDB – New Development Bank) zu schaffen, und diesmal können die Vereinigten Staaten kein Veto einlegen. Diese neuen Institutionen markieren einen Wendepunkt für das internationale Finanzsystem. Die Reaktion der westlichen Medien auf diese Ereignisse war zumeist geringschätzig, doch darin spiegelt sich 90 95 100 105 110 115 120 125 130 5 10 15 20 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei g nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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