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Vertiefung: Grundprinzipien staatlicher Sozialpolitik: Rentenpolitik 237 die Kosten vor allem bei den Renten und der Gesundheit explodierten. Man sprach vom Abbau, 1977 und 1979 kamen die ersten Reformen. 1992 stellte Blüm die Rentenformel auf die Nettolohnentwicklung um, fünf Jahre später führte er den „demografischen Faktor“ ein, der das Rentenniveau Schritt für Schritt senken sollte. […] „Als [1989] nach der Wende der Sozialismus implodiert ist, hat man gedacht, das Soziale wird nicht mehr gebraucht“, sagt Blüm. Der Wirtschaftsstandort Deutschland verliere an Konkurrenzfähigkeit, hieß es, wenn die Soziallasten, vor allem die Lohnnebenkosten, nicht schnell abgebaut würden. Gewarnt wurde vor der Bevölkerungsentwicklung, die junge Generation werde vom solidarischen System überfordert. Blüm ignorierte alle Einwände und dehnte den Sozialstaat 1990 auf die neuen Bundesländer aus. Vier Millionen Rentner wurden in die Versicherung aufgenommen, „das ging nicht ohne Ungerechtigkeiten“, sagt er. „Dennoch war es eine große Leistung des Sozialstaats.“ Keinen seiner Grundsätze gab er auf, auch nicht 1995, als er gegen massive Widerstände seine Pflegeversicherung nach dem Vorbild Bismarcks verwirklichte. Otto von Blüm wurde er damals genannt. Vor der Sozialhilfe hatte er pflegebedürftige Menschen bewahren wollen, doch das ist nicht gelungen. Er habe Fehler gemacht, sagt er selbst, z. B. bei der Versorgung verwirrter Menschen. „Doch ich wollte die Pflegeversicherung erst einmal auf das richtige Gleis stellen. In der Sache ist sie richtig.“ Der Schutz durch die Verfassung für die Rente gehört zu Blüms liebsten Argumenten. Bei einer Privatversicherung mit ihrem Anlagerisiko an den gebeutelten Börsen gebe es diesen Schutz nicht, und ein steuerfinanziertes System, ein Grundeinkommen für alle zum Beispiel, sei zusätzlich vom Kampf um das Geld aus dem Staatshaushalt abhängig. Unter den demografischen Problemen [insbesondere den zunehmend höheren Altenanteil] hätten alle Versicherungen zu leiden, „die Beiträge zahlt ja nicht der liebe Gott“. Aber auch die Privaten bräuchten junge Beitragszahler für den Kapitalnachschub. Manche – er nennt sie eine heimliche Koalition von Verstaatlichern und Privatversicherern – fordern, der Staat solle sich nur um die Armen kümmern, alles Übrige müsse dem einzelnen Bürger überlassen sein. „Es gibt aber ein paar Sachen, die sind fast ewig“, sagt Blüm: „Die Jungen für die Alten, die Starken für die Schwachen, das Leben auf Gegenseitigkeit nach dem Kant’schen Imperativ.“ Die Menschen wüssten vielleicht nicht, was Gerechtigkeit sei, „aber was ungerecht ist, dafür haben sie auch ohne Studium der Philosophie ein feines Gespür“. (Heidrun Graupner: Sozialer als der Sozialismus, in: Süddeutsche Zeitung v. 30.5.2009, S. 6) Die Renditen der gesetzlichen Rente und die der privaten Vorsorge im Vergleich Dass die gesetzliche Rente im Alter zur Sicherstellung des [vorher gewohnten] Lebensstandards in Zukunft nicht mehr ausreichen wird, ist längst eine Binsenweisheit. Wer es sich leisten kann, schließt deshalb Zusatzversicherungen wie die staatlich geförderte RiesterRente ab oder wandelt sozialabgabenfrei einen Teil seines Einkommens in eine die Rente ergänzende betriebliche Altersversorgung um. Doch nun kommt die Deutsche Rentenversicherung (DRV) mitten im aktuellen Rentenstreit mit der tröstlichen Botschaft daher, dass der inzwischen auf einem historischen Hoch angelangte Rentenbeitrag trotzdem alles andere ist als ein verlorener Zuschuss an den Generationenvertrag. Der Rentenbeitrag rechnet sich: Eine Frau, die heute in Rente geht, erhält eine Rendite auf ihre eingezahlten 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 5 10 15 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d e C .C .B uc hn er V er la gs | |
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