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Grundlagen Baustein 3: Konjunkturpolitik – auf welchem Weg? 49 mit das Einkommen, nimmt der Konsum zu. Dies wiederum erhöht das Einkommen, was erneut den Konsum treibt und so weiter. Die Multiplikatorwirkung ist umso größer, je weniger die Menschen von einem zusätzlichen Euro sparen, um den ihr Einkommen steigt. Daher hätten schon geringe Schwankungen bei den Investitionen enorme Folgen für Wachstum und Beschäftigung. Keynes hat dabei viel Vertrauen in die Fähigkeiten des Staates. Dieser könne oft bessere Investitionsentscheidungen treffen als die Privatwirtschaft, weil er frei von „animalischen Instinkten“ den Nutzen der Projekte „auf lange Sicht und auf der Grundlage des allgemeinen sozialen Wohls berechnen“ könne. Keynes will den Kapitalismus jedoch nicht abschaffen, sondern retten. Ausdrücklich betont er in der „Allgemeinen Theorie“, seine Analyse liefere „keine offensichtliche Begründung für ein System des Staatssozialismus“. Die von ihm diagnostizierten Schwächen der Marktwirtschaft ließen sich lösen, auch wenn die Produktionsmittel im Privatbesitz blieben. Eingreifen solle die Regierung in die Wirtschaft über die Steuerund Zinspolitik „und teilweise vielleicht durch andere Wege“. (Olaf Storbeck, in: Handelsblatt v. 30.3.2009, S. 9) Neoklassisch orientierte Wirtschaftspolitik Inzwischen akzeptieren auch klassisch orientierte Wirtschaftstheoretiker und -politiker die Notwendigkeit der Korrektur gravierender gesamtwirtschaftlicher Fehlentwicklungen. Die Ursachen der Fehlentwicklungen liegen ihrer Meinung nach aber nicht in erster Linie auf der Nachfrageseite, sondern vor allem auf der Angebotsseite einer Volkswirtschaft. Empfohlen wird eine „angebotsorientierte Wirtschaftspolitik“ mit dem Ziel, die Bedingungen für Produktion und Investition zu verbessern. […] Dem Staat fällt dann konsequenterweise lediglich die Aufgabe zu, den Wettbewerb funktionsfähig zu erhalten und zu fördern. Es geht vor allem darum, Wachstumshindernisse zu beseitigen, ein „wachstumsfreundliches Klima“ zu schaffen und den Ausbau der Infrastruktur voranzutreiben. Die „unsichtbare Hand“ des Wettbewerbs braucht nach dieser Vorstellung die „sichtbare Hand“ der Politik [vgl. Adam Smith, S. 25]. Grundlegend für die neoklassische Sichtweise des Wirtschaftsprozesses ist der Glaube an Stabilität des privaten Sektors. Danach schafft es ein privatwirtschaftlich-kapitalistisches Wirtschaftssystem aus eigener Kraft heraus, mit seinen Problemen fertig zu werden. Der wirtschaftliche Organismus verfügt sozusagen über ein sehr starkes Immunsystem. Dank dieser Selbstheilungskräfte baut die Volkswirtschaft äußere Schocks in gedämpfte Bewegungen ab. Störungen sind allenfalls vorübergehender Natur und als solche hinzunehmen. Das gilt auch für Arbeitslosigkeit. Auf längere Sicht erreicht eine Volkswirtschaft wieder ihren Gleichgewichtszustand. Das Marktsystem funktioniert nach klassischer Auffassung also wie eine automatische Zentralheizung: Ist die Temperatur erst einmal eingestellt und das Heizungssystem in Ordnung (funktionsfähige Märkte), so wird die Raumtemperatur mit geringen vorübergehenden Abweichungen (temporäre Ungleichgewichte) auf dem vorher eingestellten Wert stabilisiert. Bezogen auf eine Volkswirtschaft bedeutet dies, dass die Volkswirtschaft automatisch in einer „gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtssituation“ stabilisiert wird. Dies bezieht sich nicht nur auf die Gütermärkte, sondern insbesondere auch auf den Arbeitsmarkt, wo sich längerfristig automatisch ein Vollbeschäftigungsgleichgewicht einpendelt. Neoklassiker können daher aufgrund ihres unverbrüchlichen Vertrauens in die Marktkräfte als „Marktoptimisten“ bezeichnet werden. Sie sind zugleich skeptisch hinsichtlich der Fähigkeit der Politik, das Marktsystem durch fallweise staatliche Maßnahmen zu stabilisieren. Eine noch so gut gemeinte Wirtschaftspolitik [dazu der nächste Text] richtet, so die Überzeugung der Neoklassiker, im Zweifel mehr Schaden an, als sie Nutzen stiftet. Theoretische Basis der Neoklassik sind das Say’sche Theorem (J. B. Say, 1767 – 1832), demzufolge sich jedes Angebot seine erforderliche Nachfrage schafft. Denn bei der Produktion von Waren und Dienstleistungen entstehen Kosten und damit in gleicher Höhe automatisch auch Einkommen (z. B. Lohneinkommen) und somit kaufkräftige Nachfrage; sie stellt sicher, dass die Produktion auch abgesetzt werden kann. Eine gesamtwirtschaftliche Überproduktion ist somit allenfalls vorübergehend zu erwarten. Auf einzelnen Märkten können temporäre Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage herrschen; sie werden jedoch nach kurzer Zeit wieder abgebaut. Die Erklärung für die „Verkaufsgarantie“ der Güter liefert der Sachverhalt, dass im Zuge der Herstellung von Gütern wertgleiches Einkommen entsteht. Dieses geben die Wirtschaftssubjekte wieder aus. Tun sie dies 80 85 90 95 100 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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