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Grundlagen: Baustein 1: Chinas Aufstieg zur Wirtschaftsmacht 517 Chinas „passive“ Einbindung in die Weltwirtschaft Das von Hongkonger Unternehmern im Perlfluss-Delta angestoßene Modell der „passiven“ Einbindung Chinas in die Weltwirtschaft hat letztlich Modell gestanden für zwei Jahrzehnte exportorientierten („vertikalen“) Engagements ausländischer Investoren in China. Kern dieses Modells ist die Führungsrolle ausländischer Unternehmungen, die den Standort China aufgrund seiner Produktionskostenvorteile in ihre Wertschöpfungsketten integriert haben, gleichzeitig aber die Kontrolle über die im Produktionsprozess eingesetzten Technologien, die Vertriebsstrukturen in den Absatzmärkten, die Markenpositionierung etc. in ihren Händen behalten. […] Im Rahmen dieses Modells der Rollenverteilung ist China zur „Werkbank“ der Welt aufgestiegen, wobei sich drei zentrale Strukturphänomene mit letztlich globalen Implikationen herausgebildet haben: ⦁ massive (Netto-)Zuflüsse ausländischer Direktinvestitionen nach China [vgl. Kap. 3, S. 163]; ⦁ rapide ansteigende Exporte von Fertigprodukten aus China in die OECD-Märkte, gepaart mit hohen und weiter ansteigenden Handelsbilanzüberschüssen Chinas; ⦁ parallel zur Exportausweitung massiv anwachsende Importe von Vorprodukten insbesondere aus Südostasien, gepaart mit schnell anwachsenden Handelsbilanzdefiziten Chinas gegenüber diesen Staaten. In China selber war der Aufstieg zur „Werkbank“ der Welt zum einen verbunden mit dem Aufbau substanzieller Produktionskapazitäten, die an den Bedarfsstrukturen des Weltmarktes ausgerichtet waren und von ausländischen Unternehmungen gesteuert und kontrolliert wurden, und zum anderen, qua hohen Vorprodukteinfuhren, einem zunächst vergleichsweise geringen chinesischen Wertschöpfungsanteil an den chinesischen Fertigproduktexporten in die OECD-Märkte. […] Chinesische Unternehmungen haben durch die Vermittlung ausländischer Investoren Kenntnis von und Zugang zu Geschäftsmodellen und Produktionsverfahren erhalten, die zuvor nicht bekannt waren. Die im Zeitablauf über 600 000 in China gegründeten Unternehmungen mit ausländischem Kapitalanteil haben nicht nur Arbeitsplätze für Dutzende von Millionen Arbeitskräften bereitgestellt, sondern auch eine neue Generation von Managern, Ingenieuren und Fachkräften ausgebildet, die mittelfristig auch und gerade der einheimischen Industrie zur Verfügung stehen. Paradigmenwechsel – China als „aktiver“ Gestalter der Weltwirtschaft Die oben skizzierte „passive“ Einbindung Chinas in die Weltwirtschaft erfährt in jüngster Zeit – allerdings jenseits der weiterhin bestehenden starken Abhängigkeit von leistungsstarken ausländisch kapitalisierten Unternehmungen im industriellen Gefüge des Landes – weitreichende Veränderungen, die dazu beitragen können, den chinesischen Wachstumsprozess auch in den kommenden Jahren zu verstetigen. Dieser Wandlungsprozess wird durch zwei größere Entwicklungslinien gekennzeichnet: ⦁ Das Modell der Werkbank Chinas, die die Welt mit leichtindustriellen Gütern versorgt, diese aber nur dank massiver Vorproduktimporte herstellen kann und letztlich nur geringe eigene Wertschöpfungsanteile beisteuert, wird sukzessive abgelöst durch eine neue Exportstruktur. Diese wird nun gekennzeichnet durch wachsende Wertschöpfungsanteile am Endprodukt, eine breitere Nutzung inländischer Vorleistungen und eine immer geringere Abhängigkeit von Vorprodukten aus Südostasien und anderen Weltregionen. ⦁ Einzelne chinesische Unternehmungen emanzipieren sich von der Führungsrolle ausländischer Konzerne und schreiten nun erstmals eigenständig, mit eigenen Geschäftsmodellen, patentierten Technologien und Marken auf die Weltmärkte hinaus. Das heißt, dem bisher zu verzeichnenden einseitigen Strom von Direktinvestitionen nach China hinein wird nun ein zweiter danebengestellt, der aus China herausführt und es chinesischen Unternehmungen ermöglicht, in bislang nicht gekannter Form aktiv und selbstbestimmt auf den Weltmärkten aufzutreten. Während die erstere der hier angeführten Entwicklungslinien noch stark mit der Präsenz ausländischer Investoren in China korreliert ist und durch diese in erheblichem Maße vorangetrieben wird, scheint die neuerlich in schnell wachsenden Volumina (18,7 Milliarden US-Dollar im Jahr 2007) zu beobachtende eigenständige Investitionstätigkeit chinesischer Unternehmungen im Ausland eine neue Ära in der Einbindung Chinas in die Weltwirtschaft einzuläuten. (Markus Taube, in: Landeszentrale für politische Bildung BadenWürttemberg [Hrsg.]: Der Bürger im Staat, „Die Volksrepublik China“, Heft 3/4 – 2008, S. 186 – 194 [Auszüge]) 100 105 110 115 120 125 130 135 140 145 150 155 160 165 170 175 180 185 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um de C .C .B uc hn er Ve rla gs | |
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