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Grundlagen Baustein 3: Konjunkturpolitik – auf welchem Weg? 59 Staatsausgaben zu erhöhen, wirke auf Dauer destabilisierend. […] Seit Mitte der 1990er-Jahre gibt es eine neue, immer einflussreichere Strömung in der Makroökonomie [Volkswirtschaftslehre], die Keynes zumindest teilweise rehabilitiert. Anhänger dieser Denkschule, die sich bewusst „Neu-Keynesianer“ nennen, lehren an den besten Universitäten und publizieren in den anspruchsvollsten Zeitschriften; ihre Modelle gehören zu den Standardwerkzeugen der westlichen Notenbanken. Mit modernen Methoden haben die Neu-Keynesianer festgestellt: Fiskalpolitik wirkt, schuldenfinanzierte Ausgabenprogramme und Steuersenkungen haben sehr wohl positive Wachstumswirkungen. Allerdings ist ihr Wirkungsgrad deutlich geringer, als Keynes in den 1930er-Jahren vermutet hatte. Eine solche Politik ist also teuer. Keynes hatte 1936 geschätzt: Für jeden Dollar, den der Staat ausgibt, steigt das Bruttoinlandsprodukt um rund 2,50 Dollar. Er ging also von einem Multiplikator von 2,5 aus. Wenn er in dieser Größenordnung läge, würde sich Konjunkturpolitik quasi von alleine finanzieren. Andere Ökonomen sind nicht ganz so skeptisch. Für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und die US-Wirtschaft kam eine 2007 veröffentlichte Studie von Jordi Galí und Kollegen zu dem Schluss: Wenn die Regierung die Staatsausgaben um einen Dollar erhöht, ist die Wirtschaftsleistung zwei Jahre später um 1,74 Dollar höher – unter anderem, weil der private Konsum um 0,95 Dollar gestiegen ist. Volkswirte, die die USRegierung beraten, gehen von ähnlichen Effekten aus. Sie vermuten, dass für jeden Dollar zusätzlicher Staatsausgaben das reale Bruttoinlandsprodukt um 1,60 Dollar steigt. […] Vor allem durch die Jahrhundertkrise wendet sich das Blatt rasant: Die Weltrezession hat Keynes und seine Konjunkturprogramme über Nacht rehabilitiert. Die US-Regierung kämpfte mit dem größten schuldenfinanzierten Konjunkturpaket der Menschheitsgeschichte gegen den Fallout der Krise. Allein 2009 und 2010 nahm sie dafür 789 Milliarden US-Dollar in die Hand. Auch die Bundesregierung, die sich noch bis Ende 2008 mit Händen und Füßen gegen ernsthafte Konjunkturpakete gewehrt hatte, beugte sich schließlich der Notwendigkeit. 85 Milliarden Euro gab Deutschland 2009 und 2010 insgesamt für die Rettung der Konjunktur aus. (Olaf Storbeck: Die Jahrhundertkrise, Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart 2009, S. 113 – 116) Die Siebzigerjahre in Deutschland: Lohn-PreisSpirale Anfang der 1970er-Jahre – also im unmittelbaren Anschluss an die erfolgreiche Bekämpfung der Rezession von 1967 [nach keynesianischem Muster] durch Wirtschaftsminister Karl Schiller – nahm die Aggressivität der Verteilungskämpfe zu. Die Durchsetzung hoher Lohnforderungen war dabei für die Gewerkschaften beschäftigungspolitisch weitgehend risikolos – hatte der Staat doch zugesichert, dass er Beschäftigungseinbrüchen jederzeit wieder entgegensteuern würde. Die Folge war eine Eskalation der Verteilungsauseinandersetzungen. Auch die Unternehmen setzten den Lohnforderungen nur geringe Widerstände entgegen. Im Zweifel konnten infolge der expansiven Wirtschaftspolitik die höheren Lohnkosten in die Preise der Waren und Dienstleistungen übergewälzt werden. Dies trug wesentlich zu der anfangs der Siebzigerjahre aufkommenden Inflation bei. Anm.: In der Karikatur sind der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt [vorne] und sein Finanzminister Hans Apel, beide SPD, dargestellt. Ein echter Torero gibt nicht auf. Das Ergebnis der Siebzigerjahre kurz vor der Ablösung der SPD-FDP-Koalition (Kanzler Schmidt) durch eine CDU/CSU FDP-Koalition (Kanzler Kohl). 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 5 10 15 Nu r z u Pr üf zw ck en Ei ge nt um d e C .C .B uc hn er V er la gs | |
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