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1 Arbeite heraus, wie das „Nibelungenlied“ zum deutschen Nationalepos wurde und in welcher Weise es später vereinnahmt wurde. 2 Erkläre, warum die Nibelungenfi guren – insbesondere Siegfried – den Nazis als Prototypen deutscher Tugendhaftigkeit und deutschen Heldentums erschienen. Judith Rauch Umstrittener Nationalmythos (2005) Auszug Das „Nibelungenlied“ gilt seit Jahrhunderten als das „Lied der Deutschen“. Früher wurde es als Nationalmythos hochgehalten, heute ist es umstritten. Dass dieser gesamteuropäische Stof zum deutschen Nationalepos werden konnte, hat vor allem mit den Vertretern der deutschen Romantik zu tun, die für alles Mittelalterliche schwärmten. So stellte der Romantiker August Wilhelm Schlegel (1767 1845) das „Nibelungenlied“ noch über die „Ilias“ und pries vor allem den „überwältigenden Eindruck allgemeiner Zerstörung“, den es hinterlässt. 5 10 15 20 25 30 Das Motiv des von hinten erdolchten Soldaten fand in der Weimarer Republik durch rechte Organisationen und Parteien häufig Verwendung. Insbesondere in Kreisen der Weltkriegsteilnehmer diente der Dolchstoßvorwurf der Aufwertung des Selbstwertgefühls. Zugleich gab er dem eigenen Opfer und dem massenhat en Tod der Kameraden auf dem Schlachtfeld trotz der Niederlage zumindest einen kleinen Sinn, denn der Sieg wäre ohne den Verrat durch „vaterlandslose Sozialdemokraten“ und „jüdische Geschät emacher“ zum Greifen nahe gewesen, so die Überzeugung in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung. Der Germanist Friedrich Heinrich von der Hagen (1780 1856) entdeckte im Charakter der Nibelungenhelden erstmals urdeutsche Tugenden: „Gastlichkeit, Biederkeit, Redlichkeit, Treue und Freundschat bis in den Tod. Menschlichkeit, Milde und Großmut in des Kampfes Noth, Heldensinn, unerschütterlicher Standmuth, übermenschliche Tapferkeit, Kühnheit und willige Opferung für Ehre, Pfl icht und Recht.“ Im Befreiungskrieg gegen Napoleon (1815 1817) beriefen sich deutsche Soldaten auf Siegfried, der den „heiligen deutschen Boden“ vom „fremden Gewürme“ befreit. Die Niederlage im Ersten Weltkrieg begründete Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg mit der Dolchstoß-Legende: „Wie Siegfried unter dem hinterlistigen Speerwurf des grimmen Hagen, so stürzte unsere ermattete Front: Vergebens hatte sie versucht, aus dem versiegenden Quell der heimatlichen Krat neues Leben zu trinken.“ 169Literatur als Instrument der Idealisierung erkennen 3670_1_1_2014_156-181_Kap_7.indd 169 07.01.16 14:38 N u r zu P rü fz w e c k e n E ig e n tu m d e s C .C . B u c h n e r V e rl a g s | |
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