Volltext anzeigen | |
Ein beherrschender Aspekt der kollektiven Selbstfi ndung ist die Zügelung öf entlicher und privater Gewalt. […] In allem gilt es, das richtige Maß, die rehte mâze zu fi nden und vollkommene Selbstbeherrschung (zuht) zu wahren Nur zuht und mâze können verhindern, dass persönliches Ruhmund Ehrstreben (êre und prîs) oder Zornesausbrüche den nötigen Zusammenhalt sprengen. Neben den af ektiven und kulturellen Belangen rücken Romane wie „Erec“, „Iwein“ oder „Parzival“ auch die politische und soziale Lebenswirklichkeit des Feudalsystems in den Blick. Ein Generalthema ist dabei das Spannungsverhältnis zwischen der geschuldeten Treue (triuwe) des Dieners gegen den Herrn und umgekehrt die in gerechter Entlohnung bewiesene Treue des Herrn gegen seine Vasallen und Dienstleute. Sobald eine Seite die (Vertrags-)Treue bricht, gerät das fragile Gleichgewicht unweigerlich aus den Fugen. Einen dritten, immer wieder durchschrittenen und durchlittenen Themenkreis setzt die Suche nach dem richtigen Verhältnis zwischen Gott und Welt. Wie, so lautet die zentrale Frage, lassen sich ritterlicher Kampf, Tapferkeit und Mut mit der Sicherung des Seelenheils vereinen? […] Zum Inbegrif dieses literarisch in immer neuen Brechungen und Schattierungen entworfenen Spektrums ritterlicher Tugenden und Verhaltensformen wird das Leitbild der hövescheit, der höfi schen Lebensart. Sie bündelt alle sozialen, kulturellen und musischen Kompetenzen, die den idealen Ritter und die ideale Gesellschat ausmachen. Als Lehrund Versuchsanstalt wahrer hövescheit ist die Ritterepik letztlich der literarische Schauplatz einer ständischen Selbsterziehung, auf dem die Normen einer neuen Gesellschaftsform entwickelt und diskutiert werden. Und diese Dichtung ist ein Gemeinschat serlebnis in jeder Hinsicht: Am Hof vorgetragen, formt sie eine Gemeinschat , die sich in einer eigentümlichen Mischung aus Utopie und Wirklichkeitsrefl ex zugleich angespornt und gespiegelt fi ndet. 1 Erläutere, warum die ritterlich-höfi sche Dichtung des 13. Jahrhunderts bis heute unser Bild vom Ritter prägt. 2 Stelle dar, wie der Ritterstand in seiner Literatur ein überhöhtes Idealbild seiner selbst entwirft und welche Themenfelder dabei berührt werden. k Vergleiche Ideal und Wirklichkeit des Rittertums. 3 Arbeite heraus, welche gesellschaftliche Funktion der ritterlich-höfi schen Literatur in ihrer Zeit zukommt. 35 40 45 50 55 60 65 171Literatur als Ausdruck einer Wertegemeinschat wahrnehmen 3670_1_1_2014_156-181_Kap_7.indd 171 07.01.16 14:38 N u r zu P rü fz w c k e n E ig e n tu m d e s C .C . B u c h n e r V e rl a g s | |
![]() « | ![]() » |
» Zur Flash-Version des Livebooks |