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dran als jene, die of en um milde Gaben betteln. Ihr müsst aber auch klug hauszuhalten wissen! Sinnlose Verschwendung ist kein Zeichen echten Herrschertums, ebenso wenig allerdings das geizige Anhäufen von Schätzen. Findet stets das rechte Maß. Ich habe wohl bemerkt, dass Euch gute Lehren bitter nötig sind. Streit Euer ungebührliches Betragen ab! Stellt keine überfl üssigen Fragen, doch will Euch jemand mit seiner Rede ausforschen, so seid schnell bei der Hand mit einer wohlüberlegten Antwort. Ihr habt doch Eure fünf gesunden Sinne, also gebraucht sie und kommt endlich zu Verstande. Paart stets Kühnheit mit Erbarmen, dann habt Ihr meine Lehren recht begrif en. Will sich ein bezwungener Ritter ergeben, so verschont ihn, wenn er Euch nicht solch bitteren Schmerz zugefügt hat, dass tiefes Herzeleid zurückblieb. Ihr werdet ot die Rüstung tragen. Legt Ihr sie ab, dann wascht euch die Rostspuren von Gesicht und Händen, damit Ihr einen angenehmen Anblick bietet; denn Frauen achten darauf. Seid manneskühn und frohgemut zugleich, dann werdet Ihr Ruhm gewinnen. Und schließt die Frauen in Euer Herz, das veredelt den Jüngling. Ein rechter Mann verrät sie nie! Legt Ihr es darauf an, sie zu betrügen, werdet Ihr viele hinters Licht führen können, doch Falschheit in der Liebe lässt Euer Ansehen rasch schwinden. Der tückisch schleichende Bösewicht verfl ucht die dürren Äste im Wald, denn sie brechen und knacken und wecken den Wächter. Kampf entbrennt ot in Gehölz und Verhau. Genauso ist es in der Liebe! Sie hat ein feines Gefühl für Falschheit und Hinterlist, und seid Ihr erst einmal in Ungnade gefallen, dann kommt Schande über Euch, und Ihr quält Euch Euer Leben lang mit bitteren Selbstvorwürfen. Nehmt Euch diese Lehren zu Herzen! Noch eins sei Euch über das Wesen der Frau gesagt: Mann und Frau sind untrennbar eins wie Sonne und Tag. Aus einem Sandkorn erblühen sie und sind nicht voneinander zu trennen. Haltet Euch das stets vor Augen!“ Dankbar für die empfangenen Belehrungen verneigte sich der Gast vor dem Burgherrn. Er erwähnte seine Mutter nicht mehr, doch bewahrte er sie treu im Herzen. Der Burgherr sprach nun Worte, die ihm Ehre machten: „Ihr müsst jetzt lernen, wie sich ein rechter Ritter zu benehmen hat. Wie kamt Ihr angeritten! Ich kenne viele Wände, wo der Schild besser hing als an Eurem Halse. Noch ist Zeit, aufs freie Feld hinauszureiten. Dort sollt Ihr die Kunst der Waf enführung lernen.“ […] Der Fürst sprengte aufs Feld hinaus, wo erst die Kunst des Reitens geübt wurde. Er lehrte seinen Gast, sein Pferd mit Schenkelhilfe und mit Sporen aus dem Galopp in den Angrif zu werfen, die Lanze richtig einzulegen und sich mit dem Schild vorm Gegenstoß zu decken. „Seht“, sagte er, „so müsst Ihr’s machen!“ Parzivals Fehler korrigierte er auf diese Weise besser als mit einer Weidenrute, mit der man bösen Kindern das Fell gerbt. 25 30 35 40 45 50 55 60 65 Parzivals Kampf mit dem Roten Ritter 173Literatur als Ausdruck einer Wertegemeinschat wahrnehmen 3670_1_1_2014_156-181_Kap_7.indd 173 07.01.16 14:38 N u r zu P rü fz w e c k e n E ig e n tu m d e s C .C . B u c h n e r V e rl a g s | |
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