Volltext anzeigen | |
„Was will dieser Mensch von mir –! Was habe ich ihm getan?!“ Worauf sie in Weinen ausbrach. – Der Konsul warf seiner Gattin einen Blick zu und betrachtete ein wenig verlegen seine leere Tasse. „Liebe Tony“, sagte die Konsulin sant , „wozu dies Echauf ement! Du kannst sicher sein, nicht wahr, dass deine Eltern nur dein Bestes im Auge haben und dass sie dir nicht raten können, die Lebensstellung auszuschlagen, die man dir anbietet. Siehst du, ich nehme an, dass du noch keine entscheidenden Empfi ndungen für Herrn Grünlich hegst, aber das kommt, ich versichere dich, das kommt mit der Zeit … Einem so jungen Dinge, wie du, ist es niemals klar, was es eigentlich will … Im Kopfe sieht es so wirr aus wie im Herzen … Man muss dem Herzen Zeit lassen und den Kopf of en halten für die Zusprüche erfahrenerer Leute, die planvoll für unser Glück sorgen …“ „Ich weiß gar nichts von ihm –“, brachte Tony trostlos hervor und drückte mit der kleinen weißen Batist-Serviette, in der sich Eifl ecke befanden, ihre Augen. „Ich weiß nur, dass er einen goldgelben Backenbart hat und ein reges Geschät …“ Ihre Oberlippe, die beim Weinen zitterte, machte einen unaussprechlich rührenden Eindruck. Der Konsul rückte mit einer Bewegung plötzlicher Zärtlichkeit seinen Stuhl an sie heran und strich lächelnd über ihr Haar. „Meine kleine Tony“, sagte er, „was solltest du auch von ihm wissen? Du bist ein Kind, siehst du, du würdest nicht mehr von ihm wissen, wenn er nicht vier Wochen, sondern deren zweiundfünfzig hier verlebt hätte … Du bist ein kleines Mädchen, das noch keine Augen hat für die Welt und das sich auf die Augen anderer Leute verlassen muss, die Gutes mit dir im Sinne haben …“ „Ich verstehe es nicht … ich verstehe es nicht …“, schluchzte Tony fassungslos und schmiegte ihren Kopf wie ein Kätzchen unter die streichelnde Hand. „Er kommt hierher … sagt allen etwas Angenehmes … reist wieder ab … und schreibt, dass er mich … ich verstehe es nicht … wie kommt er dazu … was habe ich ihm getan?! …“ Der Konsul lächelte wieder. „Das hast du schon einmal gesagt, Tony, und es zeigt so recht deine kindliche Ratlosigkeit. Mein Töchterchen muss durchaus nicht glauben, dass ich es drängen und quälen will … Das alles kann mit Ruhe erwogen werden, muss mit Ruhe erwogen werden, denn es ist eine ernste Sache. Das werde ich auch Herrn Grünlich vorläufi g antworten und sein Gesuch weder abschlagen noch bewilligen … Es gibt da viele Dinge zu überlegen … So … sehen wir wohl? Abgemacht! Nun geht Papa an seine Arbeit … Adieu, Bethsy …“ 40 45 50 55 60 65 70 75 80 Buddenbrooks-Verfi lmung aus dem Jahr 1959 89Literarische Figuren charakterisieren N u r zu P rü fz w e c k e n E ig e n tu m d s C .C . B u c h n e r V e rl a g s | |
![]() « | ![]() » |
» Zur Flash-Version des Livebooks |