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109 Leben im antiken Griechenland 1. Das Gespräch M2 zeigt, wie Sokrates Fragen stellte, um die Menschen zum Nachdenken zu bringen. Entwickle eine Fortsetzung des Gesprächs mit Trasybulos. Notiere Fragen, die Sokrates noch stellen könnte. 2. Erkläre mit M2 und M3, warum manche Athener Sokrates (M5) für gefährlich hielten und vor Gericht stellten. Versetze dich in die Lage von Trasybulos (M2) und in die der Athener (M3, Z. 8 11). Beurteile, wie sie Sokrates’ Fragen empfunden haben. 3. Erläutere mit M4, warum in Athen viele Philosophen verfolgt wurden. Frage dich, welche Rolle dabei die Lehre der Philosophen, die Religion der Athener und die Politik spielten. 4. Sokrates sagte einmal: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ („... dass ich ein Nichtwissender bin.“) Erkläre, was er damit gemeint haben könnte. Berücksichtige die „Frage-Technik“ des Sokrates (M2). 5 Sokrates Marmorfigur, Höhe 27,5 cm, 2. Jh. v. Chr. Sokrates philosophierte in der Öffentlichkeit und verfasste keine Schriften. Seine Lehre kennen wir v. a. aus den Büchern seines Schülers Platon. Im Jahr 399 v. Chr. wurde Sokrates vorgeworfen, die Götter nicht anzuerkennen und die Jugend zu verderben. Das Volksgericht verurteilte ihn zum Tode: Er musste einen Becher mit Gift trinken. 2 Sokrates und der Soldat Trasybulos Sokrates will die Menschen zur Selbsterkenntnis führen und so zu einem sinnvollen Leben anregen. Deshalb verwickelt er die Leute gern in Gespräche: Trasybulos: Guten Morgen, Sokrates! Sokrates: Guten Morgen, Trasybulos! Gut siehst du aus in deiner Rüstung. Du bist wohl ein tüchtiger Soldat? T(rasybulos): Klar! Ich habe im Kampf schon zehn Thebaner totgeschlagen. S(okrates): Brav, Trasybulos; denn die Thebaner sind alle Lumpen. T: Das hat unser General auch gesagt, Sokrates. S: Und der General der Thebaner hat seinen Soldaten gesagt, alle Athener sind Lumpen. T: Aber das stimmt doch nicht, Sokrates! Wir Athener sind keine Lumpen. S: Sind denn die Thebaner Lumpen? T: Meinst du etwa, unser General habe nicht Recht? S: Ich weiß nicht, Trasybulos. Wir wollen das nächste Mal darüber weitersprechen. Nach: Gustav A. Süß, Sokrates – der Archetypus des Wahrheitssuchers, in: Praxis Geschichte 3/2003, S. 28 3 Sokrates verteidigt sich Platon berichtet, wie sich sein Lehrer Sokrates 399 v. Chr. vor dem Gericht der Athener verteidigt hat: Ihr könntet sagen: „Sokrates, wir lassen dich frei, wenn du mit deiner Fragerei aufhörst und nicht mehr nach Weisheit suchst. Wenn wir dich aber noch einmal dabei erwischen, musst du sterben!“ Dann würde ich antworten: Ich bin euer Freund. Aber solange ich atme, werde ich nicht aufhören, nach Weisheit zu suchen und euch zu ermahnen. Wenn ich euch treffe, werde ich mit meinen gewohnten Reden fortfahren: „Bester Mann, schämst du dich nicht, für Geld, Ruhm und Ehre zu sorgen, aber nicht für Einsicht, Wahrheit und deine Seele?“ Ich glaube, dass unserer Polis niemals ein größerer Dienst geleistet wurde. Ich tue nichts anderes, als Jung und Alt zu überreden, für ihre Seele zu sorgen. Nicht aus Reichtum entsteht die Tugend, sondern aus Tugend der Reichtum. Ob ihr mich nun freisprecht oder nicht: Ich werde nie anders handeln, und wenn ich noch so oft sterben müsste! Platon, Apologie 29 d 30 c – Werke in acht Bänden, hrsg. v. Günter Eigler, Bd. 2, Darmstadt 31990, S. 1-69 4 Denken ist gefährlich! Der Althistoriker Udo Hartmann schreibt: In Athen bildete sich seit Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. das wichtigste Zentrum der Philosophie heraus. Die Stadt war aber auch ein Ort der Verfolgung zahlreicher Philosophen. Eine Reihe wurde wegen „Gottlosigkeit“ unter Anklage gestellt. Dieser Vorwurf wurde meist nur erhoben, um politische Ziele zu erreichen. Das Volk mag durch die Meinungen der Philosophen in seinen religiösen Gefühlen verletzt gewesen sein. Hinter den Anklägern standen aber in der Regel politische Gruppen. So wurde gegen Anaxagoras eine Gottlosigkeitsklage angestrengt. Anaxagoras wird in den Quellen als Lehrer des Perikles1 bezeichnet. Kleon klagte ihn an, weil er die Sonne für einen glühenden Metallklumpen erklärt hatte. Nur dank der Verteidigung des Perikles wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt und in die Verbannung geschickt. Plutarch schreibt, dass kurz vorher ein Orakeldeuter2 namens Diopeithes einen Gesetzesantrag3 vorlegte: Jemand, der nicht an die Götter glaubt und Vorträge über Himmelserscheinungen hält, sei zu bestrafen. Das eigentliche Ziel der Bemühungen gegen Anaxagoras sei Perikles gewesen. Dessen Gegner zielten auf einen Freund und Berater des Staatsmanns, weniger auf einen gottlosen Philosophen. Perikles’ Position sollte geschwächt werden. Nach: Udo Hartmann, Griechische Philosophen in der Verbannung, in: Andreas Goltz, Andreas Luther und Heinrich SchlangeSchöningen (Hrsg.), Gelehrte in der Antike, Wien/Köln/Weimar 2002, S. 59 86, hier S. 60 62 (gekürzt und vereinfacht) 1 Siehe S. 100 f. 2 Siehe S. 84 f. 3 Siehe S. 94. 5 10 15 5 10 15 20 25 5 10 15 700 v. Chr. 600 v. Chr. 400 v. Chr.500 v. Chr. 300 v. Chr. Thales von Milet Pythagoras Protagoras Perikles Sokrates Anaxagoras Aristoteles Platon Gründung der Akademie in Athen 31051_1_1_2015_076-115_Kap4_Griechenland_lo.indd 109 13.08.15 09:40 Nu r z u Pr üf zw ec ke Ei ge nt um d es C .C . B u hn r V er la gs | |
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