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232.2 Vom Wohlstand der Nationen M8 Der desolate Zustand der DDR-Wirtschaft Warum entwickelte sich die DDR wirtschaftlich viel schlechter als Westdeutschland? Sie kämpfte, neben den Verlusten durch sowjetische Demontagen in der Anfangszeit, mit den inhärenten Schwächen des sozialistischen Planungssystems. Es gab drei Hauptprobleme, die sich gegenseitig verstärkten: das Koordinations-, das Motivationsund das Innovationsproblem. Schon die frühen Sozialismuskritiker Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek hatten erkannt, warum die Planwirtschaft scheitern musste: Weil es keine Preise gab, die die relative Knappheit und Begehrtheit von Gütern anzeigen, tappt der zentrale Planer im Dunkel; Ressourcen werden verschwendet. Die Pläne gehen am Bedarf vorbei, ohne Wettbewerb sind die Staatsunternehmen wenig innovativ, machen Verluste und liefern schlechte Qualität. Im realen Sozialismus der DDR ließen sich diese Schwierigkeiten besichtigen. Die mit großem bürokratischem Aufwand erstellten Wirtschaftspläne mussten ständig korrigiert werden. Es kam zu Stockungen im Produktionsablauf durch die starre Materialzuweisung der Staatlichen Planungskommission (SPK). Außerdem war die Motivation der Arbeiter schwach. Im Frühjahr 1953 befahl die SED-Regierung eine starke Anhebung der Arbeitsnormen, indirekt eine Lohnkürzung. Das löste landesweite Proteste und den Volksaufstand des 17. Juni aus. Auf die fortlaufende Massenauswanderung reagierte Ulbricht im August 1961 mit dem Bau der Mauer. Die Wirtschaftslage blieb prekär. Ab 1963 versuchte Ulbricht eine Reform: Er wollte das starre Planungssystem lockern und den Betrieben mehr Spielräume geben und sogar eine gewisse Gewinnorientierung einführen. Das „Neue System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft“ (NÖS) versuchte, marktwirtschaftliche Koordinationsund Anreizmechanismen zu imitieren, ohne vom Grundsatz des Kollektiveigentums abzugehen. An dieser Widersprüchlichkeit scheiterte es. 1970 stand das System vor dem Kollaps, Ulbrichts Planvorgaben waren nicht einzuhalten. Die DDR-Führung erhöhte folglich die Importe aus dem Westen, inanziert durch Kredite. „Wir machen Schulden bei den Kapitalisten bis an die Grenze des Möglichen, damit wir einigermaßen durchkommen“, beichtete Ulbricht der Sowjetführung in Moskau. Zugleich versprach er „einen Sprung nach vorn“. […] Die DDR lebte unter Honecker zunehmend von der Substanz und war auf Kredite des Westens angewiesen. 1982 konnte sie den Staatsbankrott nur durch die Milliardenkredite der Bundesrepublik abwenden. Im Herbst 1989 präsentierte der Vorsitzende der Zentralen Planungskommission Gerhard Schürer eine schonungslose Analyse: Nur eine Senkung des Konsumniveaus der Bevölkerung um 25 bis 30 Prozent könne die Zahlungsunfähigkeit abwenden. Tatsächlich kam die DDR-Industrie nur noch auf ein Drittel der West-Produktivität. Dass die industrielle Basis im Osten verrottet war, erkannten die Bonner Politiker aber zu spät. Kohl weckte mit dem Versprechen der „blühenden Landschaften“ falsche Erwartungen. Er glaubte, durch den Verkauf der Staatsbetriebe die Kosten der Wiedervereinigung zahlen zu können. Am Ende machte die Treuhand 270 Milliarden DMark Verlust. Hinzu kamen die Transfers durch die Sozialsysteme. Nach Schätzung des ifo Instituts wurden seit 1990 rund 1,6 Billionen Euro in den Osten gepumpt. Philip Plickert, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 5.10.2014, S. 18 Treuhand Die Treuhand war eine in der Spätphase der DDR gegründete Anstalt des öffentlichen Rechts, deren Aufgabe es war, die volkseigenen Betriebe der DDR nach den Grundsätzen der Marktwirtschaft zu privatisieren oder, wenn das nicht möglich war, stillzulegen. ifo Institut Forschungseinrichtung, die sich mit der Analyse der Wirtschaftspolitik beschäftigt und monatlich den ifo-Geschäftsklimaindex ermittelt. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 N u r zu P ü fz w e c k e n E i e n tu m d e s C .C . B u h n e r V e rl g s | |
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