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252.2 Vom Wohlstand der Nationen Dies könnte nun das Happy End sein. Soziale Marktwirtschaft hat sich durchgesetzt, und gut. Nun geht die Rede aber noch weiter. Und es ist ja auch so: Wir wollen nicht sagen, dass es gut sei. Deutsche Unternehmen verkaufen weltweit erfolgreich ihre Produkte. Wir genießen Dank dieses wirtschaftlichen Erfolges nicht nur einen materiellen Wohlstand, sondern auch einen sozialen Standard, den es so nur in wenigen Ländern der Welt gibt. Und doch halten viele Deutsche die marktwirtschaftliche Ordnung zwar für efizient, aber nicht für gerecht. Mit Marktwirtschaft assoziieren sie laut einer aktuellen Umfrage gute Güterversorgung und Wohlstand, aber auch Gier und Rücksichtslosigkeit. Das ist nun freilich nichts Neues, ähnliche Forschungen in der Seele der Deutschen fördern seit Jahrzehnten relativ konstante Sympathien für staatliche Eingriffe in die Wirtschaft zutage. Schon Bundespräsident Heuss sprach vom gefühlsbetonten Antikapitalismus der Deutschen, den er zu Recht für einen unrelektierten Antiliberalismus hielt. Für mich folgt daraus: Es wird nicht alles schlimmer. Salopp gesagt: Man muss nicht verzweifeln, wenn man wie ich die Soziale Marktwirtschaft für eine Errungenschaft hält. Aber natürlich gibt es auch Grund zu fragen, woran so viele konstant zweifeln, nicht um den Zweifelnden zu folgen, sondern um ihnen zu begegnen. […] Viele zweifeln am Wettbewerb, der unser Dasein bestimmt. Er beginnt spätestens in der Schule und begleitet uns nicht nur im Berufsleben oder im Unternehmen, sondern auch im Sport, in der Kunst, in der Kultur. Die Demokratie selbst ist ohne Wettbewerb ja gar nicht denkbar. Als Land stehen wir wiederum nicht nur mit unserer Wirtschaft, sondern auch mit unserem Gesellschaftsmodell im Wettbewerb mit anderen Nationen. Im Grunde aber inden allzu viele den Wettbewerb eher unbequem. Es ist anstrengend, sich permanent mit anderen messen zu müssen. Und wenn wir uns immer wieder neu behaupten müssen, dann können wir ja auch immer wieder scheitern. Das ist das Paradoxe an der freiheitlichen Ordnung. Ich kenne so viele, die sich einst fürchteten, eingesperrt zu werden, die Freiheit suchten und ersehnten. Aber jetzt fürchten sie sich vor ihr, fürchten sich auch, abgehängt zu werden. Das ist menschlich verständlich. Aber es lohnt zu erklären, was Wettbewerb vor allem ist, jedenfalls dann, wenn er fair ist, dann ist er eine öffnende Kraft. Er bricht althergebrachte Privilegien und zementierte Machtstrukturen auf und bietet dadurch Raum für mehr Teilhabe, mehr Mitwirkung. Er bietet, auch im Falle des Scheiterns, idealerweise eine zweite und weitere Chance. Und wenn er richtig gestaltet ist, dann ist er auch gerecht. […] Wir sollten übrigens nicht hoffen, ein für alle Mal den richtigen Rahmen setzen zu können. Es gibt doch keinen Idealzustand, der staatlich planbar oder herbei zu reformieren wäre. Auch lassen sich ja nicht alle Risiken aus einer Marktwirtschaft herausbringen. Wer das glaubt, der wird ja permanent enttäuscht. Und wer das behauptet, der wird permanent enttäuschen. Bundespräsident Joachim Gauck, SWR2 Aula, 6.4.2014 Joachim Gauck (*24. Januar 1940 in Rostock), seit dem 23. März 2012 elfter Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland Begründen Sie, warum die freie Marktwirtschaft der Zentralverwaltungswirtschaft als überlegen gilt (M 5, M 8). 2 Vergleichen Sie die Modelle „freie Marktwirtschaft“ und „Zentralverwaltungswirtschaft“ anhand der Bausteine von Wirtschaftsordnungen. 3 Visualisieren Sie in einer Mind-Map die Kerngedanken der Gauckschen Rede (M 9). 4 „Viele Deutsche halten die marktwirtschaftliche Ordnung zwar für efizient, aber nicht für gerecht“ (M 9, Z. 106 ff.). Überprüfen Sie Gaucks Aussage anhand von M 10 auf S. 26. Aufgaben Für wie wahrscheinlich halten Sie die Eröffnung einer Bäckerei aus dem Motiv der Nächstenliebe (M 4)? Begründen Sie Ihre Meinung. zu Aufgabe 2 Beziehen Sie in Ihren Vergleich zusätzlich die den Wirtschaftsordnungen zugrundeliegenden Menschenbilder mit ein. zu Aufgabe 3 Gestalten Sie eine Gegenrede aus Gewerkschaftsperspektive. 95 100 105 110 115 120 125 130 135 140 145 150 155 160 165 N u r zu P rü fz w e c k e n E ig e n tu m d e s C .C . B u c h n e r V e rl a g s | |
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