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533.7 Welches Wachstum brauchen wir? M24 Verzweifelt gesucht: das neue (Wachstums-)Maß der Dinge stopften Straßen und zu wenig öffentlichem Nahverkehr? Wachstum, das auch in Schwellenländern energiehungrige Industrien und für diese noch mehr schmutzige Kraftwerke entstehen lässt, die auf Jahrzehnte hinaus Treibhausgase ausstoßen? Wachstum, das nicht mehr Lebensqualität, sondern nur immer mehr Krempel bringt? Wer solches Wachstum hat, der braucht keine Rezession mehr, damit es ihm schlecht geht. [...] [W]enn die Erde ein lebenswerter Ort für sieben, acht oder noch mehr Milliarden Menschen bleiben soll, dann müssen sich auch Wirtschaft und Konsumenten verändern und mit ihnen das Wachstum. Nicht viel langsamer muss es werden, aber anders – es muss weg von fossilen, hin zu erneuerbaren Energien gehen. Das Wachstum muss bessere, umweltfreundliche Produkte und Strukturen schaffen. Und nicht immer mehr von allem, sondern weniger. Dass so ein grünes Wachstum möglich ist, haben viele Studien gezeigt. Aber mit der Umsetzung hapert es, dabei ist der Gedanke nicht neu. Schon 1995 veröffentlichte Ernst Ulrich von Weizsäcker mit US-Kollegen einen Bericht. [...] Sie rechneten darin vor, wie man den Naturverbrauch halbieren und die Wirtschaftsleistung verdoppeln kann: Man muss nur Energie und Rohstoffe viermal besser einsetzen. Aber während die Ökoenergien auch dank der deutschen Energiewende einen sagenhaften Siegeszug hingelegt haben, ist aus dem Energiesparen bislang nicht viel geworden – und der CO2-Ausstoß steigt und steigt. Von halbiertem oder auch nur vermindertem Naturverbrauch kann weltweit keine Rede sein. Und zwar nicht, weil die Technik versagt hätte. Sondern weil der Wunsch nach mehr, nach höher, schneller, weiter, zu oft den ökologischen Fortschritt abgehängt hat. Denn die Energie, die Menschen mit einem Gerät sparen, schleudern sie an anderer Stelle wieder hinaus. Spülmaschinen etwa, die Weizsäcker im Blick hatte, verbrauchen nur noch halb so viel Strom wie 1995. Dafür gibt es in den Wohnungen inzwischen auch Espressomaschinen und Computer, von Smartphones und Tablets ganz zu schweigen. Oder Autos: 1995 war technisch schon das 1,5-Liter-Auto in Reichweite. Seither sind die Motoren viel besser geworden. Aber der durchschnittliche Neuwagen hat viel mehr PS und mehr Schnickschnack als früher, und es wird mehr herumgefahren als je zuvor. Das Ergebnis ist, dass selbst in Deutschland der Energieverbrauch in Haushalten und auf den Straßen seit 1995 nicht nennenswert gesunken ist. So geht es nicht mehr ewig weiter, denn der Klimawandel ist bereits da. Lange war vage die Rede von künftigen Generationen, an die man denken müsse. Inzwischen sind längst Kinder geboren worden, die bis ins letzte Viertel des Jahrhunderts hinein leben werden. Sie haben die Folgen der heutigen Entscheidungen zu tragen. Blindes Wachstum mag kurzfristig hier und dort mehr Reichtum schaffen, auf Dauer aber zerstört es alles. Marlene Weiß, Süddeutsche Zeitung, 23.9.2014 Sie ist noch schwer vorstellbar, die Welt, von der Ökonomen, Politiker und auch Unternehmer immer häuiger sprechen: eine Welt, in der das ökonomische und politische Handeln nicht auf das größtmögliche Wirtschaftswachstum, sondern auf die Maximierung der Lebenszufriedenheit ausgerichtet ist. Zwar ist das BIP nach wie vor das Maß aller Dinge, doch diese Welt ist keine utopische Spinnerei – sie ist eine immer realistischer werdende Alternative zum Streben nach immer neuen Wachstumszuwächsen: „Die gesellschaftlichen Prioritäten entwickeln sich weg vom Bruttoinlandsprodukt, wir brauchen eine Alternative“, sagte Stefan 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 5 10 15 N u r zu P rü fz w c k e n E ig e n u m d e s C .C . B c h e r V e rl a g s | |
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