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Kompetent in Wirtschaft & Recht erweitern – vertiefen – anwenden 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 80 Die geldpolitischen Beschlüsse der Europäischen Zentralbank bewegen sich zwischen Mut, aber auch Verzweiflung. Die erneute Senkung des Leitzinses von 0,25 % auf 0,15 % war erwartet und von den Fi nanzmärkten bereits eingepreist worden. Eine im Vorfeld der Sitzung des EZBRates breit diskutierte Maßnahme darf als historisch bezeichnet werden. Künftig müssen die Banken für ihre sehr kurzfristi gen Einlagen bei der EuroNotenbank einen Einla genzins von 0,1 % bezahlen. Geld, das über Nacht auf dem Konto bei der Notenbank landet, ist bei der Auszahlung am nächsten Morgen weniger wert. Künftig wird das Geldhorten durch die Geschäfts banken bei der Zentralbank bestraft. Diese Maß nahme ist ein historisches Novum. Erstmals in der Geschichte der Geldpolitik schreibt die Bank der Banken einen Minuszinssatz vor. Zu den jüngsten geldpolitischen Beschlüssen gehört auch noch der erneute Einsatz der monetären Kanone „Dicke Ber tha“. Wie schon Ende 2011 und Anfang 2012 werden mit der „Dicken Bertha 2.0“ den Banken längerfris tige Kredite zu niedrigen Zinsen angeboten. Neu ist die Idee, die langfristige Geldspritze nur den Ban ken anzubieten, die den Liquiditätszufluss für die Kreditvergabe an Unternehmen außerhalb des Fi nanzsektors nutzen. Mario Draghi fügte in der Pres sekonferenz hinzu, dass die Zentralbank selbst mit ihren unorthodoxen Instrumenten noch nicht am Ende ist. Vorbereitet werden weitere Maßnahmen. Die Reaktionen auf diese nahezu kostenlose Geld versorgung durch die EZB können nicht unter schiedlicher sein. Auf den Aktienmärkten kam es kurzfristig zu einem starken Kurssprung. Der DAX für die 30 wichtigsten börsennotierten Unterneh men in Deutschland knackte nach der Verkündi gung der Beschlüsse die 10.000Marke. Über diese kurzfristige Reaktion hinaus zeigt sich, dass durch die anhaltende Geldschwemme der Notenbank in den letzten drei Jahren der Kursindex der Unterneh men im DAX sich verdoppelt hat. Vernachlässig bare Zinssätze für Sparbücher und niedrige Rendi ten auf den Anleihemärkten haben die Bereitschaft ins Aktienkursrisiko zu gehen, erhöht. (…) Zu den Gewinnern zählt auch der Schuldenstaat. Die Zinslasten sinken. Der Streit im Haushaltsaus schuss des Deutschen Bundestags zur begrenzten Neuverschuldung im Bundesbudget 2015 ist mit dem Hinweis auf die sinkende Zinslast entschärft worden. Was heute als Vorteil verbucht wird, kann im Zuge künftiger anziehender Zinsen zum riesi gen Risiko der Haushaltspolitik umschlagen. Diesen risikomutigen, kurzfristigen Gewinnern stehen die Sparerinnen und Sparer als vordergrün dige Verlierer gegenüber. Sie müssen weiterhin mit realen Vermögensverlusten rechnen. Die derzeitige Rendite bei Sparguthaben – wird die Inflation und Steuer berücksichtigt – fällt negativ aus. Das reale Sparvermögen schrumpft mit negativen Realzinsen bereits längere Zeit. Wie die geplante Anpassung durch die Bundesregierung zeigt, lässt die Niedrig zinspolitik auch den Wert von Lebensversicherun gen für die Alterssicherung schrumpfen. Dabei ist über einen längeren Zeitraum mit einem Ausstieg aus dieser BeinahNullzinspolitik und damit den realen Vermögensverlusten nicht zu rechnen. Dringende Aufklärungsarbeit über die Motive der EZB ist erforderlich. Aber auch die Erfolgschancen dieser unkonventionellen Geldpolitik sind bei der Be wertung zu berücksichtigen. Der Ausgangspunkt der schwer verständlichen geldpolitischen Maßnahmen ist einfach: Das wirtschaftliche Wachstum im Euro raum ist sehr schwach, ja, von Stagnation ist die Rede. Die Sorge ist groß, dass sich aus der gesamt wirtschaftlichen Nachfrageschwäche auf breiter Front eine Deflation, die in einen wirtschaftlichen Abwärtstrend mündet, entsteht. (…) Eine Deflation wäre, wie Japan lehrt, eine Katastrophe. Trotz eines massiven Geldüberschusses im Bankensystem wird nicht investiert und werden Konsumgüter nicht ge kauft, weil weiter sinkende Preise erwartet werden. Die Unternehmensgewinne schrumpfen. Am Ende gehen Arbeitsplätze verloren und das Volkseinkom M1 Europäische Zentralbank in der Liquiditätsfalle: Zu den geldpolitischen Entscheidungen am 5. Juni 2014 594.1 Die Nachfragetheorie2.3 Instrumentarium der Europäischen Zentralbank Nu r z u Pr üf zw ck en Ei ge nt um d s C .C . B uc hn er V rla gs | |
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