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Der Dreißigjährige Krieg – ein Religionskrieg? 137 M2 Staatsbildungskrieg? Der Professor für Geschichte an der Universität Augsburg, Johannes Burkhardt, bewertet den Dreißigjährigen Krieg wie folgt: Im Augsburger Religionsfrieden gelang es, das religiös nicht zu lösende Problem auf eine politisch-rechtliche Ebene zu verschieben. […] Und doch ist dieses befriedete Reich in die Katastrophe des Dreißigjährigen Krieges gestürzt. Warum? Die Experten sind sich über Ursache und Charakter dieses Krieges nicht einig. Die einen sehen hier einen fast unausweichlichen Religionskrieg. Ihnen zufolge haben Unklarheiten des Augsburger Religionsfriedens, eine Serie aufgelaufener Konfl ikte, eine militante Fürstengeneration, die Errichtung konfessioneller Kampfbünde, einer protestantischen Union (1608) und katholischen Liga (1609), und eine konfl iktbedingte „Lähmung“ der Reichsorgane, oder in neuer Wendung eine „interkonfessionelle Kommunikationsstörung“ der Reichsstände, zu dem Krieg geführt. Mit dem Prager Fenstersturz und dem Eingreifen des „Glaubenshelden“ Gustav Adolf1 (1594 1632) gegen das kaiserliche Restitutionsedikt2 sollten danach evangelische Freiheitsrechte vor der „Gegenreformation“ geschützt werden. Tatsächlich hat keiner dieser Konfl ikte direkt in den Krieg geführt. […] Der Dreißigjährige Krieg war nicht in erster Linie ein Religionskrieg. Aber in einer ganzen Reihe von Nebenkonfl ikten (Erbfolge-, Territorialund Handelsinteressen) war die Religion der Hauptnebenkonfl ikt, der durch konfessionell agile römisch-jesuitische, westeuropäisch-calvinistische und schwedisch-lutherische Außenkräfte und eine propagandistische Eigendynamik3 den im befriedeten Mitteleuropa eigentlich schon entschärften Konfl iktstoff plötzlich wieder wirksam werden ließ. Aus europäischer Perspektive war der Krieg hauptsächlich ein Staatsbildungskrieg, in dem einerseits die habsburgische Dynastie (Spanien und Kaiser) noch einmal nach der Universalmacht in Europa griff, in Konkurrenz zu Frankreich und nach der weitestgehenden Forschungsmeinung auch zu Schweden. Zugleich suchte die böhmische Föderation vergeblich, die Schweizer und die Niederländische Föderation erfolgreich, sich von Habsburg zu lösen und eigene Staaten zu gründen. Johannes Burkhardt, Konfessionalisierung, in: Praxis Geschichte 6/2009, S. 4 9, hier S. 8 f. 1. Arbeiten Sie an M1 und M2 die Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten in der Einschätzung heraus. 2. Der Dreißigjährige Krieg – ein Religionskrieg? Nehmen Sie Stellung. 1 Gustav II. Adolf, der König von Schweden, führte die protestantischen Fürsten im Norden des Reiches an. 2 Restitutionsedikt: eine von Kaiser Ferdinand II. 1629 ohne Befragung des Reichstages und gegen die evangelischen Reichsstände erlassene Verordnung zur Wiederherstellung (lat. restitutio) der seit 1552 in protestantischen oder calvinistischen Besitz übergegangenen katholischen Kirchgüter 3 Konfessionalisierung und Dreißigjähriger Krieg wurden durch eine große antiprotestantische und antikatholische Bildpropaganda, einen wahren „Flugblattkrieg“, begleitet. 5 10 15 20 25 u Der „Prager Fenstersturz“. Titelholzschnitt aus einer Zeitung des Jahres 1618. Unter Führung eines Calvinisten und eines Lutheraners warfen aufgebrachte Abgesandte der böhmischen Ständeversammlung am 23. Mai 1618 zwei kaiserliche Statthalter und ihren Sekretär aus einem Fenster der Prager Burg (Hradschin). Dieser protestantische Anschlag auf die katholischen Beamten wurde später zum Anlass für den Dreißigjährigen Krieg erklärt. Übrigens: Die drei kaiserlichen Beamten überlebten den Sturz. 30 35 Nu r z ur P rü fzw ec ke n Ei ge tu m d s C .C . B uc hn er V er la gs | |
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