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Reformation und Religionskonfl ikte 143 und Religiosenreformen feststellt, dass das in den religiösen Bewegungen des 14. und 15. Jahrhunderts aufgebrochene Neue „durch die Reformation zunichte gemacht wurde“ [...]. […] Neuere Forschungen machen skeptisch gegenüber der klischeehaften Entgegensetzung von demokratischem Calvinismus einerseits und obrigkeitsstaatlichem Luthertum oder autokratisch-absolutistischem Katholizismus andererseits. Die historische Realität war differenzierter. [...] Legt man das Klischee vom prinzipiell rückständigen Katholizismus ab, dann zeigt sich sehr rasch, dass der im Sinne Loyolas reformierte Katholizismus [...] ganz ähnliche gesellschaftsund mentalitätsgeschichtliche Wirkungen wie der Calvinismus hatte. Kardinalagenten dieser katholischen Modernisierung waren die Jesuiten, die der Ordensgründer Loyola auf eine systematisch-rationale Methodik ebenso wie auf eine neuzeitliche Psychologie und radikale Selbstdisziplinierung eingeschworen hatte. Auf dieser Basis waren sie ganz ähnlich wie die calvinistischen Kirchenräte rastlos bemüht, die neuzeitlich formierten Denkund Verhaltensnormen des erneuerten Katholizismus in allen Gesellschaftsschichten durchzusetzen: Jesuitische Beichtväter, Gymnasiallehrer und Professoren beeinfl ussten über Generationen hin Einstellung und politisches Handeln der Fürsten, des Adels und der bürokratischen Eliten des frühmodernen Staates. Heinz Schilling, Am Anfang waren Luther, Loyola und Calvin – ein religionssoziologisch-entwicklungsgeschichtlicher Vergleich; zitiert nach: http://edoc.hu-berlin.de/humboldt-vl/schilling-heinz/PDF/Schilling.pdf (4. 9. 2015) M2 Zur Rolle der Religionskonfl ikte Der Heidelberger Historiker und Geschichtsdidaktiker Armin Reese schreibt 2001 in einem Aufsatz: Die traditionelle Rolle des christlichen Herrschers änderte sich mit der Reformation eigentlich zunächst nicht in ihren Grundlagen […]. Aber die Intensität und Häufi gkeit seines Eingreifens nahm enorm zu: Religion und Kirche, egal ob katholisch oder protestantisch, brauchten wesentlich mehr Unterstützung, das Volk, das durch die reformatorischen Vorgänge für religiöse Fragen stärker sensibilisiert und verunsichert war, brauchte mehr Führung und Belehrung und forderte besonders letztere verstärkt ein […]. […] Hinzu kam, dass eine katholische Kirche ohne nennenswerte Konkurrenz sich noch einiges an Toleranz und Großzügigkeit leisten konnte; mit den großen reformatorischen Bewegungen wurde auch sie, genau wie der reformierten Glaubensgemeinschaften, zu gesteigerter Genauigkeit und damit Einheitlichkeit gezwungen. Und die christlichen Herrscher waren gefragt, wenn es darum ging, die gefundene „Wahrheit“ durchzusetzen. Hier lag ein Ansatz zu verschärften Konfl ikten zwischen „zentraler“ und „lokaler“ Gewalt. Prinzipiell hatten in Religionsfragen Landesherr und Gemeinde am selben Strang gezogen; auch jetzt waren beide – in der Regel mehr als vorher – darauf bedacht, ein gottgefälliges Leben im wahren Glauben zu fördern. Es wurde nun aber des Öfteren strittig, was genau denn der wahre Glaube sei, und dann zeigte sich schnell, dass die Zentrale sich nur sehr schwer gegen die unteren Instanzen, gegen die Gemeinden durchsetzen konnte. Gewaltsam ging zunächst kaum etwas, nur einzelne „Rädelsführer“ oder höchstens kleine Gruppen konnte man massiv bis hin zur Hinrichtung strafen; insgemein war viel Überzeugungsarbeit zu leisten, die keineswegs immer von Erfolg gekrönt wurde. Das ist der Hintergrund für [des Historikers Wolfgang Reinhard] wichtigen Hinweis, dass der Modernisierungsschub zunächst mehr von der Konfessionalisierung kam (als Reaktion auf die höheren Anforderungen), aber daneben und in Wechselwirkung auch Fortschritt durch Säkularisierung und konfessionelle Zugeständnisse (als Reaktion auf die geringe Durchsetzbarkeit) zur Festigung der Herrschaft beigetragen haben könnte. Mittelund langfristig stärkten die Auseinandersetzungen in der Regel das staatliche Durchsetzungsvermögen gegenüber den lokalen Instanzen. Insofern ist es naheliegend, Konfessionalisierung nicht hauptsächlich im Zusammenhang mit Reformation zu diskutieren, sondern vorwiegend mit Phänomenen, die die frühmoderne Staatlichkeit vorantrieben, also mit dem Ausbau der territorialen Verwaltung mit Gesetzgebung, Sozialdisziplinierung und Bildung als Maßnahmen, die zur tendenziellen Vereinheitlichung des „Untertanenverbandes“ führten […]. Armin Reese, „Konfessionalisierung“ – Beschreibung eines Zeitalters?, in: Geschichte lernen, Heft 84 (2001), S. 20 1. Beschreiben Sie die im Schaubild dargestellt historische Entwicklung. (Sachkompetenz) 2. Erläutern Sie, welche Klischees Schilling infrage stellt (M1). (Urteilsund Orientierungskompetenz) 3. Stellen Sie in einer Synopse gegenüber, welche Elemente bei den Reformatoren eher in die Vergangenheit bzw. in die Zukunft weisen (M1). (Urteilskompetenz) 4. Erläutern Sie die Rolle der Konfession beim modernen Staatsbildungsprozess (M2). (Sachund Orientierungskompetenz) 5. Diskutieren Sie, inwiefern Reformation und Dreißigjähriger Krieg die Rolle der Landesherren stärkte. (Sachund Orientierungskompetenz) 50 55 60 65 70 5 10 15 20 25 30 35 40 45 Nu r z ur P rü fzw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V rla gs | |
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