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Absolutismus – ein Mythos? 157 liche und natürliche Recht könne nicht zwischen einer absoluten und einer begrenzten Monarchie, sondern nur zwischen einer absoluten und einer despotischen Monarchie unterschieden werden. Nach Henshall waren viele Herrschaftstechniken, die das Ziel der Herrschaftssicherung und Machtausübung innehatten, schon im Mittelalter zu beobachten. Henshall argumentiert weiter, dass eine absolute Monarchie nicht die Partizipation1 von Zwischengewalten, von Ständen und von Parlamenten2 ausgeschlossen habe. Im Gegenteil, der Herrscher sei in einem auf Konsens ausgerichteten Herrschaftsmodell auf die Partizipation traditioneller Führungseliten angewiesen. Traditionelle Eliten wiederum bräuchten einen starken Herrscher im Zentrum, um mit dessen Hilfe ihre regionalen Machtansprüche durchsetzen zu können. Mitwirkungsund Mitregierungsorgane hätten ihre Funktionen beibehalten und der Konsens von Ständegremien und Korporationen3 auf den verschiedenen Ebenen des Politikmanagements sei von den Monarchen nie und nirgendwo grundsätzlich infrage gestellt worden. Weiterhin kritisiert Henshall, dass das Modell des Absolutismus von einem zentralistisch organisierten Staat ausgehen würde, den es in der Einheit von Volk, Staat und Nationalstaatsgrenzen so in der Frühen Neuzeit nie gegeben habe. Vielmehr seien frühneuzeitliche Staaten selten territoriale, sprachliche, rechtliche und ethnische Einheiten, sondern in der Regel sogenannte „multiple monachies“. […] Die zentrale Rolle des Hofes habe zum Ziel gehabt, den Konsens der adligen Führungsschicht zu gewinnen, statt Zwang auszuüben. Erst die Verbindung von lokalem Einfl uss und Einfl uss am Hofe habe den politischen Handlungsspielraum des Adels stärken können. […] Nach Henshall gab es [auch] keine kausale Verbindung zwischen Kriegsführung, erhöhtem Steuerbedarf und dem Aufbau einer effi zienten Verwaltung. […] Henshall schließt mit der Erkenntnis: „Louis XIV France was not centralised, it was not under direct state control and its laws were not unifi ed. Harmony was established by consensus, not bei force.“ Und provokant: „Absolutism is an impressive excuse for sloppy thinking – which is why it will probably continue to be popular.“ Dagmar Freist, Absolutismus, Darmstadt 2008, S. 29 31 (gestrafft und ohne Verweise) M3 Wenig aussagekräftig Der in Rotterdam lehrende Historiker Robert von Friedeburg geht 2012 indirekt auf die Diskussion um den AbsolutismusBegriff ein und macht deutlich, welche Konsequenzen er aus dieser Kontroverse für seine Darstellung gezogen hat. Alle souveränen Obrigkeiten mussten mehr Geld aus ihren Gesellschaften pressen, um größere Armeen und Flotten zu fi nanzieren. Es entstanden nicht nur erhebliche Friktionen1 zwischen Obrigkeiten, Ständen und Untertanen um die Belastungen, sondern auch verschärfte Konkurrenzkämpfe um die Verteilung der Mittel. Die Obrigkeit blieb von den gesellschaftlichen Eliten, die Truppe und Verwaltung nach wie vor in Händen hielten, abhängig. Die Konsequenzen der militärischen Revolution2 blieben in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich […]. Die englische und niederländische Republik kamen mit den Problemen der Kriegsfi nanzierung besser zurecht als mancher Fürst. Aber insgesamt spielten die Kriege doch den Fürsten in die Hand. Schüttelt man die Überfrachtung des Absolutismus-Begriffs von sachfremden älteren Vorstellungen eines modernen Verwaltungsstaates oder gar umfassender Persönlichkeitsformierung durch die weltliche Obrigkeit ab und zielt auf den in der Truppenkontrolle, der „Außenpolitik“ und bei der Gesetzgebung von den Ständen unabhängigen Herrscher, behält der Begriff mancherorts seine Berechtigung, allerdings mit so tief greifenden Unterschieden von Monarchie zu Monarchie, dass er als Sammelbegriff letztlich wenig aussagt. […] Der Absolutismus basierte in […] komplexeren Reichen [wie Spanien, Frankreich, Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation, Polen-Litauen] auf Arrangements zwischen der Krone und den verschiedenen adligen Gruppen. Robert von Friedeburg, Europa in der Neuzeit (Neue Fischer Weltgeschichte, Bd. 5), Frankfurt am Main 2012, S. 318 f. 1. Nennen Sie Merkmale des traditionellen AbsolutismusKonzepts (M1). 2. Erläutern Sie Henshalls Einwände gegen diesen Absolutismus-Begriff (M2). 3. Beurteilen Sie, wie der Historiker Robert von Friedeburg den Begriff verwendet (M3). 1 Partizipation: Teilhabe 2 Parlament: In Frankreich waren dies die Obersten Gerichtshöfe (Parlements), die an der Rechtsprechung und Politik beteiligt wurden, und in England das „House of Lords“ (Oberhaus) sowie das „House of Commons“ (Unterhaus). 3 Korporation: Vereinigung von Personen zu einem gemeinsamen Zweck, wie zum Beispiel die Vertretung des Adels, des Klerus und der Städte in den Ständeversammlungen 1 Friktion: Verzögerung, Fehler, Missverständnis 2 Gemeint sind hier der Aufbau des stehenden Heeres, die Anlage großer Festungen sowie die Anschaffung neuer Waffen (Kanonen). 20 25 30 35 40 45 50 55 5 10 15 20 25 Nu r z r P rü fzw ke n Ei ge nt um d es C .C . B uc hn r V rla gs | |
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