Volltext anzeigen | |
M Über die Ziele des Handels Jean-Baptiste Colbert (siehe S. 151 und 155) wird nach 1661 wichtigster Mitarbeiter Ludwigs XIV. beim Ausbau der Staatsverwaltung, bei der Zentralisierung des Fiskus und bei der staatlichen Handelsund Gewerbepolitik. In seiner Denkschrift für das erste vom König abgehaltene „Conseil du Commerce“ vom 3. August 1664 heißt es: Mächtige Staaten wie die römische Republik und das römische Kaiserreich, die Könige von Asien, Frankreich und Spanien haben sich noch nie mit dem Handel abgegeben; dies scheint demnach nur eine Eigenart schwacher Staaten zu sein. Dagegen spricht auch der Überfl uss und die Fruchtbarkeit Frankreichs, die die Entfaltung des Gewerbefl eißes, ja sogar der Spartätigkeit hemmen und verhindern; auch dass man zur Bemannung eines französischen Schiffes fast doppelt so viel Menschen und infolgedessen Lebensmittel braucht wie für ein holländisches, dass diese Ersparnis ihnen jederzeit einen Gewinn einbringt, während die Franzosen sich dabei ruinieren werden. Ihre Machtüberlegenheit und ihre eifrige Betätigung auf diesem Gebiet, die ja stets die Hauptbeschäftigung in ihrem Staat war, wird ihnen leicht die Möglichkeit geben, alle zugrunde zu richten, die sich gleichfalls damit befassen wollen. [...] Die Gründe für die Wiederherstellung und Neueinrichtung des Handels sind [...], dass, falls der König der natürlichen Kraft Frankreichs auch noch die von Kunst, Gewerbefl eiß und Handel hinzufügen könnte [...], seine Größe und Macht, wie man leicht ermessen kann, ganz bedeutend vermehrt würden [...]. Die Macht des Königs zu Lande ist der aller Staaten Europas überlegen, zur See jedoch unterlegen. Dies wäre also das einzige Mittel, sie in jeder Beziehung der der anderen gleich zu machen. […] Nach der Erörterung der Gründe und Gegengründe wird es sich empfehlen, den Zustand des Handels beim Regierungsantritt Seiner Majestät im Einzelnen zu betrachten. Binnenhandel und Handel von Hafen zu Hafen: Die Tuch[...] und sonstigen Stoffmanufakturen, die Papiermühlen, Metallwarenfabriken, Seidenund Leinenwebereien, Seifensiedereien und überhaupt alle sonstigen Manufakturen waren und sind fast völlig ruiniert. Die Holländer haben ihnen allen das Wasser abgegraben und führen dieselben Industrieerzeugnisse bei uns ein, um im Austausch dafür von uns die für ihren Konsum und Handel nötigen Materialien zu beziehen. Würden stattdessen diese Manufakturen bei uns wieder eingerichtet, so hätten wir nicht nur deren Erzeugnisse für unseren Bedarf, sodass sie uns als Zahlungsmittel Bargeld bringen müssten, das sie jetzt für sich behalten, sondern wir hätten auch noch Überschüsse für die Ausfuhr, die uns wiederum einen Rückfl uss an Geld einbrächten. Dies aber ist, mit einem Wort gesagt, das einzige Ziel des Handels und das einzige Mittel, Größe und Macht dieses Staates zu vermehren. Fritz Dickmann (Bearb.), Renaissance – Glaubenskämpfe – Absolutismus. Geschichte in Quellen, München 31982, S. 446 f. Aufgabenstellung 1. Fassen Sie zentrale Aussagen des Textes zusammen. (20 BE) 2. Erläutern Sie Gründe, warum der Finanzbedarf auch des französischen Staates in dieser Epoche stark anstieg. (40 BE) 3. Setzen Sie sich mit den Vorstellungen und Zielen Colberts aus zeitgenössischer und gegenwärtiger Perspektive auseinander. Warum scheiterte diese Politik? (40 BE) 5 10 15 20 25 30 35 40 45 i Jean-Baptiste Colbert. Kupferstich von Robert Nanteuil nach einem zeitgenössischen Gemälde, 1668. 221Übungsaufgabe mit Erwartungshorizont Nu r z ur P rü fzw ec ke n Ei ge nt um d s C .C . B uc hn r V rla gs | |
![]() « | ![]() » |
» Zur Flash-Version des Livebooks |