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162 7 Die Europäische Union als globaler Akteur klagt wird dann wegen Reduzierung der Gewinnerwartung, weil beispielsweise toxische Chemikalien in Plastikverpackungen verboten oder erlaubte Rückstandshöchstwerte in Lebensmitteln reduziert werden. […] In der Praxis wäre das nicht bedeutungslos. Gerade verklagt Vattenfall die Bundesrepublik auf Schadenersatz wegen des beschlossenen Ausstiegs aus der Atomenergie. […] Es beginnt mit dem in der EU verankerten Vorsorgeprinzip (precautionary principle), das wir von der Lebensmittelsicherheit über den Einsatz von Zusatzstoffen bis zum Chemikalieneinsatz anwenden. Den USA ist dieses Prinzip fremd. Ob Wachstumshormone in der Tiermast, Agrogentechnik und Kennzeichnung, Chlorbehandlung von Hühnchen oder Kennzeichnung von Produkten: Was uns (auch durch das Vorsorgeprinzip) rechtlich selbstverständlich ist, ist in den USA kein geltendes Recht. Bei der Zulassung von Agrogentechnik als Saatgut und Lebensmittel – ein großer Wirtschaftszweig von Monsanto und seinen Tochterunternehmen – wird das auch in Zukunft zu Differenzen führen. Es scheint, dass bei den Verhandlungen seitens der USA auch versucht wird, das Recht über erlaubte Lebensmittelzusätze zu verändern. Den aktuellen Codex Alimentarius aufzuweichen wäre ein fatales Signal, denn schon heute sind für uns die dort zugelassenen Zusatzstoffe fragwürdig in ihrer Wirkung für die menschliche Gesundheit. An dieser Front kann nur das transatlantische Food Business gewinnen. Noch klingt uns in den Ohren, die Standards würden nicht gesenkt. Der Blick auf die Verhandlungen lässt mich aber befürchten, dass dieses Freihandelsabkommen ein reines Industrieund Investorenabkommen ist. Regulatorische Kohärenz zum Abbau sogenannter nichttarifärer Handelshemmnisse ist ihr Ziel. Nachhaltigkeit und Verbraucherinteressen sind Fremdwörter. Unser Ziel ist ein nachhaltiges Europa, das auf den Erhalt seiner Lebensgrundlagen achtet. Wo fi ndet der Erhalt der bäuerlichen Landwirtschaft und der ländlichen Räume seine Absicherungen? Wo fi ndet Klimaschutz statt? Wie ist der Erhalt bestehender Subventionen gesichert? Wie werden sich die kleinen Saatguthersteller behaupten können gegen die ganz Großen, ihre Patente und ihre Anwälte vor dem Schiedsgericht? Und werden wir unsere Zukunft gestalten können, indem wir bei öffentlichen Ausschreibungen hohe ökologische und soziale Standards für den gesamten Produktionsprozess fordern? […] Renate Künast, Geschenk für Industrie und Investoren, in: Frankfurter Rundschau, 9.1.2014 Schiedsgerichte, die im Zusammenhang mit internationalen Investitionsschutzabkommen (früher etwa zum Schutz vor Enteignung ausländischer Unternehmen ausgehandelt) eingerichtet werden, verfügen über die gleichen Entscheidungsbefugnisse wie staatliche Gerichte: Ihre Entscheidungen sind für die Vertragspartner bindend. Sie sind jedoch nicht mit hauptamtlichen Richtern, sondern mit Juristen und Anwälten besetzt, die oft im Hauptberuf Firmeninteressen vertreten (nach OECDAngaben gilt dies für 60% der „Richter“). Internationale Schiedsgerichte Info M 11 Martin Greive: TTIP – ökonomisch und strategisch geboten! An diesem Samstag wird in Berlin Verkehrschaos herrschen. Zehntausende wollen in der Hauptstadt auf einer bundesweiten Großdemonstration gegen das geplante EU-Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) protestieren. […] Ironie des Schicksals: Die Anti-TTIP-Großdemonstration fällt genau in jene Woche, in der die Vereinigten Staaten einen anderen historischen Handelsvertrag abgeschlossen haben. Nach fünf Jahren Verhandlungen haben sie […] das Transpazifi sche Handelsabkommen (TPP) in trockene Tücher gebracht. […] Das Abkommen zwischen den USA und elf PaMartin Greive, studierter Volkswirt, ist Redakteur im Ressort Innenpolitik der Tageszeitung „Die Welt“. 45 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 105 5 10 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d s C .C . B uc hn r V er la gs | |
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