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170 8 Quo vadis, Europa? Herausforderungen und Perspektiven des europäischen Projekts M 5 Das politische Kriterium: Richtung Europa? Staatsaufbau Die Türkei ist gemäß ihrer Verfassung von 1982 eine demokratische, laizistische, soziale und rechtsstaatliche Republik. Oberhaupt des Staates ist der Staatspräsident. Ministerpräsident und von ihm bestimmte Minister bzw. Staatsminister bilden gemeinsam den Ministerrat, der die Regierungsgeschäfte führt. Die türkische Verwaltung ist zentralistisch organisiert. […] Zusammensetzung des Parlaments Das türkische Parlament, die Große Türkische Nationalversammlung, wird für vier Jahre gewählt (Mehrheitswahlrecht). Nachdem durch Wahlen am 7. Juni 2015 notwendig gewordene Koalitionsgespräche gescheitert sind, fanden Neuwahlen am 1. November 2015 statt. Es gilt eine landesweite Zehn-Prozent-Hürde für den Einzug einer Partei ins Parlament. […] Grundlinien der Innenpolitik Die Türkei verbindet Elemente einer modernen, westlichen, demokratischen Industrieund Dienstleistungsgesellschaft mit einem lebendigen und in der türkischen Gesellschaft tief verwurzelten Islam moderner Prägung sowie mit einem teilweise ausgeprägten Nationalismus. Sie ist von starken politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gegensätzen gekennzeichnet, die das politische System immer wieder auf eine Belastungsproben stellen. […] Landesweite Bürgerproteste im Frühsommer 2013, ausgelöst durch die Auseinandersetzung um Bebauungspläne der Regierung für den Istanbuler Gezi-Park, zeugten von einer zunehmend selbstbewussten Zivilgesellschaft, die jedoch durch massive Polizeieinsätze gegen Demonstranten mit Todesfolge nachhaltig eingeschüchtert wurden. Die Türkei ist ein laizistischer Staat (Trennung von Staat und Religion) mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung. […] Weitere kontroverse Themen sind die Anerkennung der Aleviten als eigene Religionsgemeinschaft und in inzwischen deutlich abgeschwächter Form die Stellung des Militärs. […] Kurden Zur Beendigung des seit Mitte der 1980er Jahre gewaltsam ausgetragenen Kurdenkonflikts fand zwischen Ende 2012 und Sommer 2015 ein sogenannter Lösungsprozess […] statt. […] Nachdem die bis zum Sommer 2015 relativ aussichtsreichen Friedensgespräche zwischen Regierung und der PKK abgebrochen und ein über zweijähriger Waffenstillstand beidseitig aufgekündigt wurde, eskaliert der Kurdenkonflikt zunehmend. Seit Juli 2015 wurden durch Anschläge der PKK fast 400 Sicherheitskräfte und 300 Zivilisten getötet. […] Schätzungen zufolge sind 10 bis 15 der ca. 75 Millionen Staatsangehörigen der Türkei kurdischer Abstammung […], in einigen Gebieten stellen sie die Bevölkerungsmehrheit. […] Menschenrechte Die Türkei hatte mit zahlreichen Reformpaketen seit August 2002 viele der in der EU-Beitrittspartnerschaft aufgelisteten Pri8.1.2 Die Türkei – kompatibel mit den Kopenhagener Kriterien? 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 Die in den 1970er Jahren entstandene, religiöse und soziale Bewegung wird vom (1999 in die USA emigrierten) Prediger Fethullah Gülen geführt. Sie betreibt innerund außerhalb der Türkei vor allem Schulen und Nachhilfe-Institute, ist aber auch im Mediensektor mit Zeitungen und TV-Stationen aktiv. Ziel der Bewegung mit einem traditionellen Koranverständnis ist es, Muslime für eine fromme Lebensweise zu gewinnen. Kritiker der Bewegung beklagen intransparente Strukturen und Finanzbeziehungen. Seit 2013 wirft die türkische Regierung der Bewegung vor, einen „Parallelstaat“ errichten zu wollen. Ein geplantes Verbot der Gülen-Schulen wurde 2015 zunächst vom Verfassungsgericht gestoppt. Präsident Erdogˇan macht die Gülen-Bewegung für den gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 verantwortlich (was von Gülen bestritten wird) und geht verstärkt und massiv gegen die Bewegung vor. Autorentext Gülen-Bewegung Info Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B u hn V er la gs | |
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