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30 M E TH O D E 2 Die europäische Integration – eine Erfolgsgeschichte? Politische Urteilsbildung I: Mehrperspektivische Sachund Werturteile bilden Das politische Urteil ist im Gegensatz zur schnell geäußerten Meinung oder gar zur Stammtischparole begründbar sowie begründet (Begründungspfl icht), die ihm zugrunde liegenden Annahmen werden offen genannt und die Argumente werden sinnvoll gewichtet (Rationalität des Urteils). Perspektivgebunden bzw. mehrperspektivisch urteilen Die erste Stufe eines begründeten politischen Urteils ist die des perspektivgebundenen Urteils. Der Urteilende begründet seine Position, die in der Regel seinen Interessen entgegenkommt, ohne weitere Perspektiven oder übergeordnete theoretische Gesichtspunkte einzubeziehen. Dabei werden notwendigerweise Gesichtspunkte ausgeblendet oder weniger stark in den Blick genommen. Deswegen sollten in politischen Urteilsvorgängen bereits mehrere Perspektiven auf die politische Streitfrage oder Entscheidung berücksichtigt werden. Nicht zwangsläufi g gelangt man am Ende so zu einem anderen Urteil, wohl aber zu einem besser begründeten. Welche Perspektiven können/sollten berücksichtigt werden? Klassischerweise können bei politischen Urteilsfragen die Perspektive der Bürger, die des Unternehmens und die des Systems voneinander unterschieden werden. Dabei können dieselben Personen oder Gruppen in einem Fall Betroffene politischer Entscheidungen sein, in einem anderen Fall Akteure. So können z. B. Wirtschaftsunternehmen Betroffene einer Verschärfung der Umweltgesetzgebung sein, allerdings auch Akteure, wenn sie (über Lobbyeinfl uss) versuchen, wirtschaftspolitische Entscheidungen im Sinne ihrer Interessen zu beeinfl ussen. Sogar unterschiedliche Haltungen zu einer politischen Frage können aus ein und derselben Perspektive entstehen. So könnte ein Bürger als Arbeitnehmer Interesse an einer liberaleren Produktgesetzgebung haben, wenn dadurch sein Arbeitsplatz erhalten bleibt. Gleichzeitig könnte derselbe Bürger als Konsument eine Senkung der Produktstandards ablehnen (und gegebenenfalls als souveräner Konsument das Produkt nicht mehr kaufen). Welche Perspektiven zu berücksichtigen sind, hängt von der Urteilsfrage ab. Bei Fragen der innenpolitischen Gesetzgebung wird – anders als bei solchen der Sozialgesetzgebung – die Perspektive von Wirtschaftsunternehmen höchstens eine untergeordnete Rolle spielen. Vor der eigenen endgültigen Positionierung sollten aber die Hauptargumente aller relevanten Perspektiven auf die Urteilsfrage abgewogen worden sein (z. B. nach Folgen der Entscheidung für die jeweilige Gruppe). 5 10 15 20 25 30 35 40 45 Bürger Unternehmen Politisches System Betroffener • als Arbeitnehmer/ Arbeitsloser • als Gesetzen Unterworfener • als Umweltverschmutzung Ausgesetzter • als Gesetzen Unterworfene (z. B. Umwelt, Produktstandards) • als Mitbestimmung Umsetzende • als Weisungsempfänger im Mehrebenensystem (z. B. EU) • als Verpfl ichteter in internationalen Verträgen Akteur • als Wähler • als Demonstrant • als Konsument • als Umwelt Nutzender • als Rechteinhaber/Kläger • als Produzenten/Anbieter • als Lobbyarbeit Betreibende • als Rechteinhaber/Kläger • als Gesetzgeber • als Steuern Einnehmender • als Aushandelnder internationaler Verträge Perspektive (Auswahl) Perspektivtyp Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V rla gs | |
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