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113 kapitalistischen Gesellschaft. Sie schuf die wirtschaftlichen und sozialen Voraussetzungen für einen modernen bürgerlichen Staat. Somit komme ihr zweitens eine zentrale Stellung in der modernen Weltgeschichte zu, deren Wirkung noch immer anhalte. Soboul bedient sich einer gut verständlichen Sprache und verzichtet auf möglicherweise nicht allgemein und unmittelbar verständliche Fachbegriffe der Geschichtswissenschaft. Einige der verwendeten Begriffe wie das Gegensatzpaar „Feudalismus“ und „Kapitalismus“ (M1, Zeile 7 f.) oder die Bezeichnung „Bourgeoisie“ (M1, Zeile 14) weisen Anklänge an die Begriffsverwendung der sozialistisch geprägten Forschung auf. Eine solche ideologische Prägung lässt sich jedoch nicht eindeutig festmachen, da die Begriffe im vorliegenden Textauszug ebenso in ihrer allgemeinsprachlichen Verwendung gebraucht sein könnten. Intention und Standpunkt des Autors Wie bereits die Verwendung einer allgemeinverständlichen Sprache zeigt, wendet sich Soboul nicht nur und nicht vorrangig an Fachkollegen, sondern an eine breitere Leserschaft. Sein Ziel ist es, über die Entwicklung der Französischen Revolution zu informieren. Auch macht er seine Konstruktion von Geschichte und seine Forschungsergebnisse zugänglich. Es ist ihm offenbar ein besonderes Anliegen, die überaus große Bedeutung der Französischen Revolution, die „im Zentrum der modernen Weltgeschichte“ (M1, Zeile 15 f.) stehe, hervorzuheben. Soboul steht hierbei in der Tradition der sozialistischen Geschichtsschreibung, die die universitäre Forschung zur Französischen Revolution in der Mitte des 20. Jahrhunderts in Frankreich prägte. Nach der Revolutionstheorie von Marx und Engels (vgl. M2, Seite 105 f.) stellt die Französische Revolution als „bürgerliche Revolution“ mit dem Sieg des Bürgertums über den Adel und der kapitalistischen über die feudalen Produktionsverhältnisse einen ersten notwendigen Schritt auf dem Weg zur „klassenlosen“ Gesellschaft des Kommunismus dar. Bewertung Die Feststellung, dass der Französischen Revolution zentrale weltgeschichtliche Bedeutung zukomme, begründet Soboul im vorliegenden Textausschnitt nicht näher. Diese Zuschreibung einer weltweiten Bedeutung lässt sich jedoch in den Kontext der marxistischen Revolutionstheorie einordnen. Nach dieser ist der Kommunismus das weltweite Ziel der Geschichte. Andere Historiker wie Rolf Reichardt (vgl. M3, Zeile 14 bis 18) und François Furet (vgl. M2, Zeile 35 f.) weisen der Revolution hingegen vor allem Bedeutung für den europäischen oder von europäischen politischen Werten geprägten Raum zu. Auch Sobouls Deutung der Revolution als notwendige Phase auf dem Weg vom Feudalismus zum bürgerlichen Kapitalismus steht in der Kritik. Furet kritisiert diese Deutung als zu monokausal (vgl. M2, Zeile 25 bis 38). Tatsächlich ist fraglich, ob angesichts der Dauer der Revolution und der oft sehr unterschiedlichen inhaltlichen Forderungen und Ziele verschiedener Gruppierungen von einem einheitlichen Prozess ausgegangen werden kann. Extremer noch ist die Haltung des Historikers Hans Fenske, der die Bedeutung der Revolution für die Entwicklung moderner Staatswesen bezweifelt (vgl. M4, Zeile 16 bis 21). 32017_1_1_2016_Kap1_082-113.indd 113 04.05.16 10:37 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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