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169Vertreibungserfahrungen: Frauen und Kinder Es war fürchterlich, über die schon zermanschten Haufen hinwegfahren zu müssen. Annemarie Müller, Gescheiterte Flucht vor den Russen aus Polen, zitiert nach: www.dhm.de/lemo/forum/kollektives_gedaechtnis/149/ (Zugriff: 19. Februar 2014) 1. Analysieren Sie den Text, indem Sie die Erlebnisse herausstellen, in denen Frauen als Handelnde, und solche, in denen sie als Opfer männlicher Gewalt dargestellt werden. 2. Entwickeln Sie eine Einschätzung zu der Frage, wie die betroffenen Frauen durch derartige Erfahrungen geprägt wurden. M2 Flucht aus dem Riesengebirge Im Erlebnisbericht der Schriftstellerin L. K. aus Oberschreiberhau/Szklarska Pore˛ba, Kreis Hirschberg in Niederschlesien, heißt es zum Einmarsch der Roten Armee in Niederschlesien im Frühjahr 1945: Nachts um ein Uhr schrillen die Haustürklingeln: Sofortiger Evakuierungsbefehl! Alle Frauen und Kinder haben binnen weniger Stunden den Ort zu räumen. Einem Blitzschlag gleich trifft alle vernichtend diese Nachricht. […] Fieberhaft werden die notwendigen Dinge verpackt, man darf ja nur so wenig mitnehmen, um die Fahrzeuge nicht zu belasten. Man nimmt natürlich in der Eile und Aufregung das Verkehrteste, man kann alles noch nicht fassen. […] Alle Stoßgebete waren vergeblich: 20 Minuten erklang mitten in der Nacht das tiefe Summen der Sirenen, gleich den Posaunen des Jüngsten Gerichts. Es kamen die ersten Fahrzeuge, Truppen folgten in unübersehbarem Ausmaß. […] Die Sowjets drangen in die Häuser ein, holten sich alles, was sie brauchten, alle Vorräte wurden geplündert, und immer und immer wieder erklang der Ruf nach Schnaps. Die Schaufenster waren binnen weniger Minuten Trümmerstätten, und die Waren, die nicht mitgenommen wurden, lagen zerstreut und zerfetzt auf der Straße umher. In ihrer großen Angst hatten die Besitzer der Häuser ihre Türen vernagelt, von innen regelrechte Barrikaden gebaut. Doch nichts nützte, kein Riegel, kein Balken, die durchziehenden Soldaten öffneten jede Tür, jedes Tor, und die oft markerschütternden Schreie der Frauen und Mädchen jeden Alters ließen einem das Blut in den Adern erstarren. Überall verbargen sich die armen Frauen, unter den Betten, hinter und in den Schränken, im Heu, auf dem Speicher. Aber alle Tarnungsversuche waren vergeblich, denn jede Frau wurde gefunden, misshandelt und dann vergewaltigt unter Bedrohung der Familienmitglieder, die einschließlich der kleinen und kleinsten Kinder im Raum Zeuge sein mussten. Bundesministerium für Vertriebene (Hrsg.), Die Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus den Gebieten östlich der Oder-Neiße, Bd. I/1, Bonn 1954, S. 462 464 (Dokument Nr. 126) 1. Recherchieren Sie zur Rolle sexueller Gewalt in bewaffneten Konfl ikten und charakterisieren Sie die hier geschilderten Geschehnisse vor diesem Hintergrund. 2. Nehmen Sie Stellung zu dieser „Methode der Kriegsführung“. M3 Auf dem Rückweg nach Beuthen Während des Krieges ist Familie Bienert nach Steyr in Österreich evakuiert worden. Nach dem Kriegsende im Mai 1945 versucht Johannes Bienert, geboren 1928, mit seiner Mutter und seinen kleinen Geschwistern zurück in die Heimat, ins oberschlesische Beuthen/Bytom zu kommen: Die Situation im Zug, der 8 oder 10 Waggons lang war und mit dem wir 6 Wochen unterwegs waren, hatte sich mittlerweile zum Schlimmsten entwickelt. Es herrschte Chaos, Krankheit (hauptsächlich Durchfall), Hunger, Sterbefälle ... […] 5 10 15 20 25 i Flüchtende Mutter mit ihren Kindern. Foto von 1945. p Charakterisieren Sie die Situation der gezeigten Familie. Gehen Sie dabei auch auf die Mimik und Gestik der Personen sowie die Rolle der Kinder ein. 30 60 32017_1_1_2016_Kap2_138-203.indd 169 04.05.16 10:39 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B uc h er V er la gs | |
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