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273Die deutsche und die polnische Nationalbewegung Die Revolution von 1848/49 und die „nationale“ Frage Als im Februar 1848 in Paris erneut eine Revolution ausbrach, zog diese sofort Wirkungen in anderen europäischen Hauptstädten nach sich. Im März 1848 begannen in Berlin schwere Barrikadenkämpfe zwischen Aufständischen, die meist aus der Handwerkerschaft und aus dem Bürgertum stammten, und regulären Truppen. Nach dem Ende der sogenannten Märzkämpfe musste der preußische König Friedrich Wilhelm IV. zugestehen, dass eine neue Ordnung entstehen würde. Er wurde gezwungen, vor den bei den Konfl ikten gefallenen Menschen, die als „Märzgefallene“ im Schlosshof aufgebahrt worden waren, seine Mütze zu ziehen und zwei Tage später mit schwarz-rot-goldener Schärpe durch Berlin zu reiten. Er behielt allerdings zunächst die Kontrolle über die Armee, was sich im Nachhinein als ein schwerer Fehler der Revolutionäre herausstellte. Auch in Wien revoltierte das Volk, und Fürst Metternich, der von den Aufständischen als das verhasste Symbol der alten restaurativen Ordnung angesehen wurde, musste fl iehen. In freien Wahlen wurde in den deutschen Staaten ein Parlament gewählt, das in Frankfurt am Main in der Paulskirche zusammentrat und das die Aufgabe hatte, eine Verfassung zu erarbeiten. Diese Versammlung wurde von den Liberalen dominiert, die danach strebten, die Revolution in friedliche Bahnen zu lenken und sich mit den regierenden Fürsten zu arrangieren bzw. diese in eine Verfassung einzubinden. Außerhalb des Parlaments bestand aber eine sehr viel radikalere demokratische Bewegung, die die Revolution vorantreiben und die Fürsten absetzen wollte. Innerhalb dieser Gruppe machte bald das abschätzige Wort „Professorenparlament“ die Runde (u M5). Nachdem die Revolution zunächst Erfolge erzielt hatte, stand sofort die „nationale“ Frage im Raum. Mehrere Konzepte wurden diskutiert, die sich gegenseitig ausschlossen. Die „kleindeutsche Lösung“ strebte einen neuen Staat an, der ohne Österreich nur die norddeutschen und einige süddeutsche Territorien unter der Führung Preußens vereinigen sollte, wobei die Frage Bayerns offen war. Die „großdeutsche Lösung“ umfasste alle Territorien, die innerhalb des Deutschen Bundes lagen. Allerdings bestand hier das Problem, dass dann auch zahlreiche nichtdeutsche Völker, wie beispielsweise Tschechen, innerhalb dieses neuen Staates gelebt hätten. Ferner warf die großdeutsche Lösung die Frage auf, was mit denjenigen Territorien geschehen solle, die außerhalb des bisherigen Deutschen Bundes lagen, aber beispielsweise zu Preußen oder zu Österreich gehörten. Eine dritte mögliche Lösung, die allerdings nur wenig diskutiert wurde, hätte deshalb in einer Art von imperialer Föderation bestehen können, bei der unklar gewesen wäre, ob Preußen oder Österreich die Vormacht in Mitteleuropa gehabt hätten. Alle diese Kontroversen führten zu keinen konkreten oder politisch umsetzbaren Ergebnissen, weil sich bereits Ende 1848 die Kräfte der Gegenrevolution neu gruppierten. Entscheidend war, dass sowohl in Österreich als auch in Preußen die Armeen in der Hand der jeweiligen Regierungen geblieben waren und nun zunehmend gegen die revolutionären Bewegungen eingesetzt wurden. Bereits im Oktober schlugen Truppen nach Kämpfen, die fast vier Wochen dauerten, in Wien einen erneuten Aufstand nieder, und Anfang des nächsten Jahres griffen sie militärisch in Italien ein. Am 3. April 1849 lehnte König Friedrich Wilhelm IV. die Kaiserkrone ab, die ihm von der Nationalversammlung angeboten worden war. Stattdessen wurde die Versammlung in der Paulskirche von der Armee einfach aufgelöst. Seit Anfang Mai gingen preußische Truppen systematisch gegen die revolutionäre Bewegung in Sachsen, Württemberg und vor allem in Baden vor, wo sich die Hochburg der süddeutschen Demokraten befand. Am 23. Juli kapitulierte schließlich Rastatt, die letzte Bastion der Freiheitskämpfer, und damit war die Revolution offi ziell beendet (u M6). i Straßenkämpfe in Berlin. Die Lithografi e (32,6 x 37,8 cm) aus der von Gustav Kühn in Neuruppin 1848 verlegten Bilderzeitung zum Thema „Das merkwürdige Jahr 1848“ zeigt kämpfende Bürger und Soldaten in Berlin am 18./19. März. Friedrich Wilhelm IV. (1795 1861): preußischer König seit 1840, trat 1858 aus gesundheitlichen Gründen von seiner Regentschaft zurück Deutscher Bund: Er bestand von 1815 bis 1866 und war ein lockerer Staatenbund, dem die meisten deutschsprachigen Territorien angehörten. Seine Grenzen waren allerdings nicht identisch mit den Staatsgrenzen, beispielsweise gehörten die östlichen Teile Preußens und viele der nichtdeutschsprachigen Teile Österreichs nicht zum Bund. Einige Gebiete, die – wie Schleswig und Holstein – von ausländischen Herrschern regiert wurden, gehörten hingegen dazu. Ziel des Bundes war es, die innere und äußere Sicherheit der Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Internettipp Informationen zu den Ursachen, dem Verlauf und den F olgen der Revolution von 1848/49 fi nden Sie unter dem Code 32017-27. 32017_1_1_2016_Kap3_260-357.indd 273 04.05.16 10:44 Nu r z u Pr üf zw ck n Ei ge nt um d es C .C . B uc hn r V er la gs | |
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