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333Der Zweite Weltkrieg und seine Folgen äußerst gewalttätige Umsiedlungsaktion: Alle Polen wurden ausgesiedelt oder in Konzentrationslager deportiert, ihren gesamten Besitz mussten sie zurücklassen. Danach sollten in den leeren Dörfern Deutsche angesiedelt werden. Diese Aktion schlug aber fehl und musste schließlich abgebrochen werden (u M5).1 Vielen Bauern gelang die Flucht, und ihre einzige Möglichkeit zu überleben bestand darin, sich Partisanen in den Wäldern anzuschließen. Aus der relativ friedlichen Gegend, die landwirtschaftliche Produkte aller Art geliefert hatte, entwickelte sich ein großer Unruheherd, in dem ständig Truppen stationiert werden mussten. Vom November 1942 bis zum Januar 1943 sank die Produktion zwischen 60 und 90 Prozent. Die SS suchte in großem Stil nach „nordischem Blut“. „Arisch“ aussehende Kinder wurden ihren polnischen Eltern fortgenommen und in speziellen Einrichtungen des „Lebensborn“, faktisch Waisenhäusern der SS, erzogen. Die Eltern wurden häufi g in Konzentrationslagern ermordet. Da die Akten dieser Organisation vor dem Kriegsende vernichtet worden sind, wissen wir nur wenig über die Details. Man kann aber davon ausgehen, dass nach 1945 einige zehntausend Menschen in Deutschland lebten, die davon überzeugt waren, Deutsche zu sein, deren Eltern im Krieg ums Leben gekommen waren. Anfangs war die innerdeutsche Opposition gegen diese harte Besatzungspolitik gering, nur einige Offi ziere der Wehrmacht drückten ihr Unverständnis darüber aus, dass Einheiten der SS auch Frauen und Kinder ermordeten. Als sich aber im Winter 1942/43 mit der deutschen Niederlage in Stalingrad eine Wende des Krieges deutlich abzeichnete, häuften sich auch innerhalb der nationalsozialistischen Führung und besonders bei den örtlichen Behörden im Generalgouvernement die Forderungen, die Politik gegenüber den Polen zu ändern. Erst im allerletzten Moment wurden 1944 einige halbherzige Versuche gemacht, Polen für die deutsche Seite zu gewinnen, doch kam dieser Anlauf viel zu spät (u M6). Die Rote Armee wurde durchweg als Befreier begrüßt. Der Völkermord an den europäischen Juden Die meisten Historiker vertreten heute die Meinung, dass der Völkermord (Genozid) an den europäischen Juden nicht schon vor dem Krieg geplant war, sondern dass er sich aus zahlreichen einzelnen Aktionen langsam zum Holocaust (Shoah) entwickelte. Hitler wirkte aber immer wieder als treibende Kraft im Hintergrund. Schon direkt nach dem Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 begannen Einsatzgruppen des Sicherheitsdienstes der SS systematisch damit, in den eroberten Gebieten mehrere hunderttausend Juden und andere unerwünschte Volksgruppen wie Sinti und Roma oder kommunistische Funktionäre in großem Stil mit Maschinengewehren zu erschießen (u M7). Wahrscheinlich im Herbst 1941 fi el dann in der engeren NS-Führung der Entschluss, alle europäischen Juden zu ermorden, wobei die genauen Abläufe dieser Entscheidung aber bis heute immer noch nicht völlig geklärt sind. Nachdem im Herbst und im Winter 1941 mit verschiedenen Tötungsarten experimentiert worden war, setzte sich die Technologie der Vergasung als „erfolgreichste“ Methode durch. Mit wenigen Ausnahmen wurden die meisten Vernichtungslager auf dem Gebiet des ehemaligen Polen errichtet. Das größte von ihnen war der Lagerund Vernichtungskomplex in Auschwitz, der ein Multifunktionslager darstellte, weil hier auch große Rüstungsbetriebe angesiedelt wurden, die KZ-Häftlinge als Arbeitssklaven 1 Über die „Aktion Zamos´c´“ informiert auch M4 auf Seite 156 im Buch. Partisanen: bewaffnete Widerstandskämpfer im Hinterland Völkermord (Genozid): Auslöschung willkürlich defi nierter Gruppen von Menschen unter zumeist extrem brutalen Begleitumständen; der englische Begriff für Völkermord, genocide, geht auf den poln.jüd. Juristen Raffael Lemkin zurück, der ihn im Jahr 1944 prägte. Beispiele für Genozide in der Geschichte sind der Holocaust sowie der Völkermord an den Armeniern während des Ersten Weltkrieges. Holocaust (Shoah) (griech. holócaustos: „völlig verbrannt“ bzw. „Brandopfer“): wurde zunächst als Lehnwort ins Englische übernommen, gilt heute weltweit als Synonym für die systematische Ermordung von mindestens sechs Millionen europäischer Juden und anderer Opfergruppen. In der jüdischen Tradition wird für diesen Genozid der Begriff „Shoah“ (hebr. „Großes Unheil, Katastrophe“) verwendet, der sich jedoch ausschließlich auf die Judenvernichtung bezieht. In der NS-Terminologie wurde häufi g auch der Begriff „Endlösung“ verwendet. Auschwitz: Das Lager Auschwitz wurde nahe der polnischen Stadt Os´wie˛cim 1939 für die politischen Häftlinge aus Polen eingerichtet. Ab September 1941 begann der Ausbau zum größten Vernichtungslager im deutschen Machtbereich. Dort wurden ab Mai 1942 vornehmlich jüdische Häftlinge systematisch ermordet. Außerdem entstanden mehrere große Industriebetriebe (z. B. IG Farben in Monowitz), für die die Häftlinge Zwangsarbeit leisten mussten. Bis zur Befreiung von Auschwitz am 27. Januar 1945 starben dort etwa eine Million Menschen. Zum „27. Januar“ siehe auch das Kapitel auf Seite 448 bis 455. 32017_1_1_2016_Kap3_260-357.indd 333 04.05.16 10:45 Nu r u Pr üf zw ck en Ei ge nt um d es C .C . B ch ne r V er la gs | |
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