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343Deutsche und polnische Geschichte nach 1945 Der Warschauer Vertrag und die Ostverträge in den 1970er-Jahren Nach dem Wahlsieg der sozialliberalen Koalition in der Bundesrepublik nahm die neue Koalitionsregierung von SPD und FDP unter Bundeskanzler Willy Brandt seit 1969 eine neue Ostpolitik in Angriff. Dahinter stand die Einsicht, dass eine Rückgewinnung der ehemals deutschen Ostgebiete unmöglich war und dass eine Aussöhnung mit Polen und der Tschechoslowakei sowie eine Annäherung an die DDR sinnvoll sein würde. Die neue Entspannungspolitik sollte auch die Gefahr eines Krieges in Europa vermindern. Unter dem Schlagwort „Wandel durch Annäherung“ hoffte die deutsche Regierung auch, langfristig zur Überwindung der Teilung Europas in zwei Machtblöcke beizutragen. Resultat dieser neuen Politik waren die Ostverträge. Nach sehr schwierigen Verhandlungen schloss die Bundesregierung am 12. August 1970 zunächst in Moskau einen Vertrag mit der Sowjetunion ab. Im Warschauer Vertrag mit Polen vom 7. Dezember des gleichen Jahres erkannte die Bundesrepublik die polnische Westgrenze an (u M3). Es folgten der Grundlagenvertrag und einige kleine Abkommen, in denen sich die Bundesrepublik und die DDR als gleichberechtigte Staaten anerkannten. Allerdings betonte die bundesdeutsche Regierung, dass das deutsche Volk nach wie vor das Recht habe, seine Einheit in freier Selbstbestimmung zu verwirklichen. Formell waren die diplomatischen Beziehungen eingeschränkt, weil keine Botschafter ausgetauscht wurden. Stattdessen wurden „Ständige Vertretungen“ eröffnet, die aber faktisch die Aufgabe von Botschaften übernahmen. In einem Transitabkommen wurden Reisen von und nach West-Berlin erleichtert. Ergänzt wurde das Vertragswerk 1973 durch ein Abkommen mit der Tschechoslowakei. In der Bundesrepublik stießen diese Verträge auf heftigen Widerstand vor allem bei den Vertriebenenverbänden. Aus heutiger Perspektive ist die Bewertung aber eindeutig positiv. Der „Eiserne Vorhang“ wurde durchlässiger als zuvor, bundesdeutsche Bürger konnten nun Verwandte in der DDR besuchen und im Zuge der allgemeinen Entspannungspolitik sank vorübergehend die Gefahr eines Krieges in Europa. Die Solidarnos´c´-Bewegung und die Opposition im „Ostblock“ Von 1973 bis 1975 tagte in Helsinki die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), an der die Staaten der NATO, des Warschauer Paktes und 13 neutrale Ländern teilnahmen. Auch hier bestand das Ziel darin, die Spannungen zwischen den Blöcken abzubauen. Zunächst schien die Konferenz ein Erfolg für den „Ostblock“ zu werden, weil die DDR gleichberechtigt neben der Bundesrepublik teilnahm. In der Schlussakte verpfl ichteten sich die teilnehmenden Staaten, die Grenzen zu achten, Streitigkeiten friedlich zu lösen, sich nicht in die inneren Angelegenheiten anderer einzumischen sowie die Menschenrechte zu achten. Zu dieser Zeit wurde im „Ostblock“ nicht erkannt, dass die letzten beiden Punkte gefährlich für die kommunistischen Machthaber werden würden, weil sich Aktivisten hierauf berufen konnten. Seit dem Ende der 1970er-Jahre organisierte sich in mehreren Ländern des Warschauer Paktes eine neue Oppositionsbewegung, die sich auf die Schlussakte der KSZE bezog. Willy Brandt (1913 1992): 1966 1969 Außenminister und Vizekanzler in der großen Koalition zwischen CDU/CSU und SPD, 1969 1974 Bundeskanzler der sozialliberalen Koalition. Erhielt 1971 den Friedensnobelpreis. i„Helsinki und die Folgen.“ Karikatur aus dem „Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt“, 19. Oktober 1975. p Erläutern Sie, wie der Zeichner die Folgen der KSZE-Konferenz in Helsinki deutet. 32017_1_1_2016_Kap3_260-357.indd 343 04.05.16 10:45 Nu r z u Pr üf zw ec ke n E g tu m d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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