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M1 Die „gemischte Verfassung“ Der griechische Geschichtsschreiber Polybios (um 200 um 120 v. Chr.), der mit etwa 30 Jahren nach Rom verschleppt worden ist, beschreibt die Verfassung der Römischen Republik so: So gerecht und angemessen aber […] waren die Rollen verteilt und wurden in diesem Zusammenspiel die politischen Aufgaben gelöst, dass auch von den Einheimischen niemand mit Bestimmtheit hätte sagen können, ob das Gemeinwesen aristokratisch, demokratisch oder monarchisch war. […] Denn wenn man seinen Blick auf die Amtsgewalt der Konsuln richtete, erschien das Gemeinwesen vollkommen monarchisch und königlich, wenn auf die des Senats, wiederum aristokratisch, und wenn man auf die Machtfülle der Menge sah, schien sie unzwei felhaft demokratisch. […] Obwohl jeder der drei Teile solche Macht hat, einander zu schaden oder zu helfen, so besitzen sie doch in allen kritischen Situationen eine solche Übereinstimmung, dass man unmöglich ein besseres politisches System fi nden kann. Denn wenn eine von außen her sie alle gemeinsam bedrohende Gefahr zum gemeinsamen Handeln und zur Zusammenarbeit zwingt, dann entfaltet dieses Gemein wesen eine solche Kraft, dass weder eine notwendige Maßnahme versäumt wird, denn alle wetteifern miteinander, Mittel zu ersinnen und das Unheil abzuwehren, noch die Ausführung eines Beschlusses zu spät kommt, da alle zusammen und jeder Einzelne Hand anlegt, um das Beabsichtigte durchzuführen. Daher ist dieses Gemeinwesen dank seiner eigentümlichen Verfassung unwiderstehlich, und es erreicht alles, was es sich vorgesetzt hat. Wenn sie dann aber nach Abwendung der äußeren Gefahren im Genuss des Reichtums, den ihre Erfolge ihnen eingebracht haben, im Überfl uss leben und, von Schmeichlern oder durch eigene Sorglosigkeit verführt, hochmütig und stolz werden, wie dies so zu geschehen pfl egt, da kann man erst richtig erkennen, wie diese Verfassung durch sich selbst ein Heilmittel dagegen fi ndet. Denn wenn einer der drei Teile die ihm gezogenen Grenzen überschreitet und sich eine größere Macht anmaßt, als ihm zusteht, dann erweist sich der Vorteil dessen, dass keiner der Teile für sich besteht, sondern von den anderen zurückgehalten und in seinen Plänen gehindert werden kann und ein Gegengewicht hat; keiner der Teile kann in seiner Macht zu sehr wachsen, keiner kann die anderen Teile verachten. Alle bleiben in dem gewohnten Zustand, und jedes aggressive Vorgehen wird gehindert, und von Beginn an fürchtet der eine den Widerstand der anderen. Polybios, Historien 6, 11 ff.; zitiert nach: Hans-Joachim Gehrke und Helmuth Schneider (Hrsg.), Geschichte in der Antike. Quellenband, Stuttgart 2007, S. 215 f. und 218 (übersetzt nach H. Drexler) 1. Polybios bezeichnet die politische Ordnung Roms als „gemischte Verfassung“. Erklären Sie diese Aussage. 2. Beurteilen Sie Polybios’ Einschätzung der römischen Verfassung. Gehen Sie hierbei besonders auf seine Darstellung des Zusammenwirkens der Institutionen ein. 3. Der Historiker Fergus Millar deutet die Verfassung der Römischen Republik als Demokratie. Nehmen Sie Stellung zu dieser These. M2 „Sich mit Füßen treten lassen“ Der griechische Schriftsteller Plutarch (46 125 n. Chr.) äußert sich über das Amt des Volkstribuns: Man glaubt, dass das Tribunat eher etwas ist, das das Amt zügelt und diesem entgegengesetzt ist, als ein wirkliches Amt. Denn seine Befugnis und Gewalt besteht darin, der Gewalt eines Beamten ent gegenzutreten und ihre allzu große Befugnis zu beschneiden. [...] Da das Tribunat seinen Ursprung vom Volke ableitet, ist das Volkselement in ihm stark, und es ist von großer Bedeutung, dass der Tribun nicht gegenüber den andern überheblich ist, sondern sich im Auftreten, in Kleidung und Lebensweise den gewöhnlichen Bürgern angleicht. Würde steht dem Konsul und Prätor an, der Tribun aber muss […] sich „mit Füßen treten lassen“, darf keine stolze Miene zeigen, nicht schwer zugänglich noch barsch dem Volke gegenüber sein. [...] Daher ist es Brauch, dass die Tür seines Hauses nie verschlossen ist, sondern offen bleibt, Tag wie Nacht, wie ein Hafen und eine Zufl ucht für alle, die der Hilfe bedürfen. Je mehr er aber in seinem Auftreten sich erniedrigt, umso mehr steigert sich seine Macht [...], und durch die Ehre, die man ihm zollt, wird seine Person hochheilig und unverletzlich. Plutarch, Röm. Fragen 81 (283); zitiert nach: Walter Arend (Bearb.), Altertum. Geschichte in Quellen, München 31978, S. 412 (übersetzt von Walter Arend) 1. Arbeiten Sie die Rolle der Volkstribune im Vergleich zu den anderen „ordentlichen“ Ämtern heraus. 2. Charakterisieren Sie, welches Konfl iktpotenzial zwischen Volkstribunat und den ordentlichen Magistraturen besteht. 3. Das Amt des Volkstribuns wurde zunehmend von Mitgliedern der Nobilität (siehe Seite 33) besetzt. Beurteilen Sie diese Entwicklung aus Sicht der unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen der Römischen Republik. 4. Verfassen Sie auf der Grundlage Ihres Urteils eine Rede, die Sie als Vertreter der Plebejer und deren Interessen halten. 5 10 15 20 25 30 35 40 5 10 15 37Die Römische Republik Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge tu m de C .C .B uc hn r V er la gs | |
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