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M4 Reformstau in der Römischen Republik? Der Historiker Karl Christ bewertet 2008 die Reformbemühungen in der Römischen Republik zwischen 121 und 78 v. Chr.: Einmal erschienen vielen Optimaten offensichtlich auch die bescheidensten und nur allzu berechtigten, ja geradezu unvermeidbaren Reformansätze bereits als Revolution, jede Veränderung der Gesellschafts-, Wirtschaftsund Verfassungsstruktur als eine Veränderung zum Schlechteren. Diese Einstellung entsprach nicht nur schichtenspezifi schen Interessenlagen, sie entsprach ebenso eindeutig den Traditionen der römischen Führungsschicht, ihrem Selbstverständnis wie ihrer Ideologie. Die zweite Beobachtung [...] ließe sich auch bei anderen Reformbestrebungen inmitten revolutionärer Konstellationen […] aufzeigen. Es ist die Tatsache, dass in vielen Fällen kompromissbereite Reformer die unmittelbaren und die indirekten Folgen ihrer Initiativen ebenso wenig vorausgesehen haben wie die konsequenten Revolutionäre. In diesem Zusammenhang ist nicht Sulla, sondern Marius die bemerkenswerteste Figur. Der erfolgreiche militärische Spezialist und Feldherr hat das geschaffen, was heute zumeist als die Heeresgefolgschaft der späten Republik bezeichnet wird. Konkrete militärische Aufgaben [...] zwangen ihn zum Aufbau jenes Heeres, das zum wichtigsten Machtinstrument der späten Republik werden sollte. Doch an die gesellschaftlichen und politischen Auswirkungen und Folgen seiner organisatorischen Maßnahmen hat Marius wohl keinen Augenblick gedacht. Jedenfalls hat er gezögert, die Konsequenzen aus der von ihm herbeigeführten Entwicklung zu ziehen, Konsequenzen, die freilich dann erst von Caesar rigoros und völlig skrupellos gezogen worden sind. Indessen steht Marius in seiner Anerkennung der Bindungen an Tradition und System nicht allein. Sie begegnet, wenn auch in einer im Einzelnen unterschiedlichen Stärke, bei Tiberius Gracchus ebenso wie [...] bei Cinna. [...] In Rom stellten Reformer, die alle Brücken hinter sich abbrachen […] die Ausnahme dar. In der Regel wurde stets versucht, die Krisen innerhalb der bestehenden Strukturen zu überwinden. Diese Versuche erwiesen sich freilich nicht schon deswegen als von Anfang an aussichtslos, weil die Reformer über keine organisierte und konstante Anhängerschaft verfügten, sondern sich von Projekt zu Projekt um immer neue, wechselnde Interessengruppen bemühen mussten. Aber mehr noch als das Scheitern dieser häufi g genug zersplitterten Ansätze trug das Verhalten der Reaktion, die hartnäckige Opposition des Octavius1, das repressive Vorgehen gegen Livius Drusus, gar nicht zu reden von den Proskriptionen Sullas zu einer Verschärfung der Konfl iktlage bei […]. Karl Christ, Krise und Untergang der römischen Republik, Darmstadt 72010, S. 228 f. 5 10 15 20 25 30 35 40 1. Gliedern Sie den Text nach Sinnabschnitten. 2. Charakterisieren Sie ausgehend vom Text die Rolle der genannten Personen für die Reform der Römischen Republik und legen Sie hierzu eine Übersicht an. 3. Prüfen Sie auf Basis Ihres Hintergrundwissens, ob Christ in seiner Beurteilung der Personen zuzustimmen ist. M5 Die Römische Republik – Freiheit für wenige? Der britische Historiker Greg Woolf beleuchtet in einem 2015 erschienenen Band die Zeit der Römischen Republik: Die Zeit der Republik hat beinahe fünfhundert Jahre gedauert, vom späten 6. Jahrhundert v. Chr. bis zum ausgehenden 1. Jahrhundert v. Chr. Sie galt später als eine Zeit der Freiheit und des frommen Anstands. Es waren die Reichen, die in den Genuss der Freiheit kamen, und darunter vor allem die aristokratischen Familien, die gemeinsam die politischen Ämter und die religiöse Führung monopolisierten. […] Die Anführer der römischen Eroberungen brachten Schätze heim, mit denen sie die Stadt schmückten, sowie Geld, mit dem sie Land kaufen oder pachten konnten, und Sklaven, mit denen sie es bebauen konnten. Wie die meisten Städte der Antike stützte sich Rom auf eine Armee von Bürgern. Zu Beginn waren die meisten von ihnen Bauern, die sich zu Feldzügen einfanden, die in für die Landwirtschaft verhältnismäßig ruhigen Zeiten unternommen wurden. Viele zogen reichlichen Gewinn aus den Eroberungen. Diejenigen, die nahe genug an der Stadt Rom lebten, hatten einen gewissen Einfl uss in den politischen Versammlungen, die die Beamten wählten und die wichtigsten Entscheidungen trafen, wie etwa die, ob man in den Krieg ziehen sollte oder nicht. Aber Rom gelangte doch niemals zu der Art demokratischer Verhältnisse, wie man sie in Athen geschaffen hatte, wo die Reichen gezwungen waren, ihren Reichtum zu verbergen und einen Teil davon für öffentliche Zwecke aufzuwenden. In Rom blieb die Macht in Händen der Wenigen. Ämter bekleidete man zwar nur für ein Jahr, aber ehemalige Beamte saßen lebenslang in einem Rat, dem Senat, der in Wahrheit die Regierung, die Gesetzgebung, den Staatskult und die auswärtige Politik leitete. Greg Woolf, Rom. Die Biographie eines Weltreichs, Stuttgart 2015, S. 19 f. 1. Fassen Sie Woolfs Darstellung in einem Schaubild zusammen (siehe Methoden-Baustein auf Seite 40 f.). 2. Diskutieren Sie die Regierungspraxis in der Zeit der Römischen Republik. 1 Marcus Octavius legte als Volkstribun Einspruch gegen das Agrargesetz des Tiberius Gracchus aus dem Jahre 133 v. Chr. ein. 5 10 15 20 25 39Die Römische Republik Nu r z P üf zw ec ke n Ei g tu m d s C .C .B uc h er V er la gs | |
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