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429Die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland 1945 1989 ausschließlich geeignet schienen, drängten sie allmählich in Berufe, die als Männerdomänen galten. Auch nahmen viele Frauen die Möglichkeit der Teilzeitarbeit in Anspruch, die seit 1972 gesetzlich geregelt war. Bis heute jedoch erhalten Frauen bei vergleichbarer Arbeit weniger Lohn. • Die Rolle der Frau wurde in den 1960er-Jahren kontrovers diskutiert. Dem konservativen Vorurteil, eine berufl iche Tätigkeit von Frauen führe zur Verwahrlosung der Kinder, zu Sittenverfall und fehlendem Nachwuchs, stand das Eintreten der Frauenbewegung für das Selbstbestimmungsrecht der Frau gegenüber. Zu den führenden Feministinnen gehörte Alice Schwarzer, die in Zeitschriften wie „Courage“ oder „Emma“ engagiert ihre Positionen vertrat. Das Recht, selbst über das eigene Leben entscheiden zu dürfen, sollte in allen Bereichen durchgesetzt werden. Besonders umstritten war dabei die Forderung, das Abtreibungsverbot (§ 218) aufzuheben. In den 1970er-Jahren rückten die Belange von Frauen stärker ins öffentliche Bewusstsein. In vielen Städten wurden Frauenzentren eingerichtet. Zahlreiche Frauenhäuser entstanden, das erste 1976 in West-Berlin. Sie sollten Müttern und ihren Kindern Zufl ucht vor häuslicher Gewalt bieten. Die Wissenschaften setzten sich mit der Erforschung von Frauenund Geschlechterrollen (gender studies) auseinander. • Nur sehr langsam reagierte der Sozialstaat auf den gesellschaftlichen Wandel. Zwar bestand ein gesetzlicher Mutterschutz. Er stellte Schwangere sechs Wochen vor der Entbindung und bis zu vier Monate nach der Geburt von ihrer Erwerbstätigkeit frei und garantierte die Lohnfortzahlung und den Arbeitsplatz. Lange Zeit besuchte nur ein kleiner Teil der Dreibis Sechsjährigen einen Kindergarten: Ende der 1970er-Jahre gab es Plätze nur für etwa ein Drittel, zehn Jahre später für 80 Prozent. Für Kinderkrippen und -horte, Kindergärten und Ganz tagesschulen wurden nur geringe Finanzmittel bereitgestellt. Politik der inneren Reformen Zum ersten „echten“ Regierungswechsel in der Geschichte der Bundesrepublik kam es mit der Wahl Willy Brandts zum Bundeskanzler am 21. Oktober 1969 mit den Stimmen von SPD und FDP. Die Union war trotz Verlusten stärkste Partei (46,1 %), doch die FDP unter ihrem neuen Vorsitzenden Walter Scheel wollte das Regierungsbündnis mit der SPD (42,7 %). Mit Brandt stand zum ersten Mal seit 1930 ein Sozialdemokrat an der Spitze der Regierung, der zudem noch als Emigrant den Nationalsozialismus bekämpft hatte. Die neue Regierung trat mit dem Anspruch umfassender innerer Reformen an und traf damit die Erwartungen vieler Bürger, insbesondere der jungen Generation. Dazu gehörten die Verbesserung der betrieblichen Mitbestimmung sowie der weitere Ausbau des Sozialstaates: Erhöhung des Rentenniveaus, Einbeziehen von Selbstständigen und nicht berufstätigen Frauen, fl exibles Renteneintrittsalter. Der Etat für Sozialausgaben verdoppelte sich zwischen 1970 und 1975 auf umgerechnet 170 Milliarden Euro. 1970 wurde die Altersgrenze für das aktive Wahlrecht von 21 auf 18 Jahre, das passive Wahlrecht von 25 auf 21 Jahre herabgesetzt. Die sozial-liberale Koalition reformierte das Eheund Familienrecht. Die neuen Gesetze folgten dem Gedanken der Gleichberechtigung der Geschlechter sowie der Selbstbestimmung der Frau. 1974 trat an die Stelle des Abtreibungsverbotes eine Fristenlösung (straffreie Abtreibung bis zum dritten Schwangerschaftsmonat). Nach dem Einspruch des Bundesverfassungsgerichts wurde diese Regelung 1976 durch eine Indikationenlösung ersetzt: Eine Abtreibung blieb straffrei bei bestimmten Voraussetzungen und vorheriger Beratung. Alice Schwarzer (geb. 1942): deutsche Journalistin und Frauenrechtlerin Walter Scheel (geb. 1919): FDP-Politiker; 1968 1974 FDP-Vorsitzender; 1969 1974 Bundesaußenminister und Vizekanzler; 1974 1979 Bundespräsident Nu zu P rü fzw ck en Ei g nt um d es C .C .B uc ne r V er la gs | |
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