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Die historischen Grundlagen des Einigungsprozesses Um den wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas einzuleiten, wurde mit der OEEC 1948 eine erste wirtschaftliche Hilfsorganisation für die Staaten des alten Kontinents gegründet. Die Wirtschaft sollte zur treibenden Kraft der Integration werden. Unmittelbar nach 1950 war allerdings noch offen, ob nicht doch ein Zusammenschluss auf politischer Ebene vorrangig sein sollte. Die folgenden historischen Grundlagen bestimmten um 1950 den Einigungsprozess: 1. Politisch herrschte der Wunsch vor, dauerhaft Frieden herzustellen. 2. Daraus folgte, dass die europäischen Völker den Nationalismus eindämmen mussten, der sie in zwei Weltkriege gestürzt hatte. Weltanschaulich hatten die führenden Nachkriegspolitiker, die den Einigungsprozess Europas in Gang brachten, jetzt eine andere Plattform: das Christentum. 3. Das drängende Problem nach dem Krieg war die wirtschaftliche Not, die noch einmal in der Geschichte Europas Hungerkrisen auslöste. Die Wirtschaft aufzubauen und den Lebensstandard zu heben, erzeugte kurzund mittelfristig den größten Handlungsdruck. 4. Eine Lösung konnte nicht national, sondern nur im internationalen, freien Personen und Warenverkehr gesucht werden. 5. Die langfristige Perspektive der Akteure war die machtpolitische Aufwertung Europas. Die Einigung sollte bewirken, dass Europa in der Weltpolitik wieder Gewicht hatte. Diese Grundlagen wirken im Einigungsprozess Europas größtenteils bis heute. Umstritten war, auf welcher Grundlage gemeinsame Vereinbarungen getroffen werden sollten. Staaten, die möglichst wenig Hoheitsrechte abgeben wollten, bevorzugten die Verständigung zwischen den nationalen Regierungen. Man nannte das die intergouvernementale Ebene. Die Anhänger einer supranationalen Einigung hingegen wollten, dass die Einzelstaaten möglichst viele Hoheitsrechte an gemeinsame europäische Organe abgaben, die dann für alle entschieden. Die Auseinandersetzung um die unterschiedlichen Lösungen zieht sich durch die Geschichte der europäischen Gemeinschaften. Begründung und Gründerväter der europäischen Einigung Die politische Einigung, wie sie beispielsweise Churchills Plan von den „Vereinigten Staaten von Europa“ vorsah, schien nach 1945 angesichts der Spaltung in Ost und West die wünschenswerte Option. Denn das westliche Europa sah sich von der sowjetischen Militärmacht bedroht und vom Schutz der amerikanischen Truppen abhängig. Der 1949 ins Leben gerufene Europarat konnte nur in sehr beschränktem Ausmaß Wirkung entfalten. Zum Integrationskern wurde aber letztendlich die wirtschaftliche Kooperation. Im Mai 1950 veröffentlichte der französische Außenminister Robert Schuman den Plan, die Stahlund Kohleproduktion in Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland einer übernationalen Behörde zu unterstellen. Dieser Organisation sollten andere europäische Staaten beitreten können. Schuman sowie sein Mitarbeiter Jean Monnet, der Architekt des Plans, beendeten damit die Politik, Deutschland dauerhaft zu schwächen. Gegen die USA, die nach Beginn des Kalten Krieges die Bundesrepublik als starken Verbündeten wollten, war dies ohnehin nicht durchzusetzen. Stattdessen suchte Frankreich die Kooperation, auch um von der deutschen Montanindustrie* zu profi tieren und sie zugleich zu kontrollieren. Die i Coopération Intereuro péenne. Plakat, 1950. Das Plakat entstand im Rahmen eines Wettbewerbs des European Recovery Program („Marshall-Plan“). Robert Schuman (1886 1963): französischer Politiker; geboren im damals deutschen Reichsprotektorat ElsassLothringen; besaß bis 1918 die deutsche Staatsbürgerschaft, danach die französische. Der Christdemokrat war 1948 bis 1952 französischer Außenminister und setzte sich früh für eine Aussöhnung mit Deutschland ein. Jean Monnet (1888 1979): französischer Unternehmer; 1946 1950 Leiter des französischen Planungsamtes; enger Mitarbeiter des französischen Außenministers Schuman * Montanindustrie: zusammenfassende Bezeichnung für Bergbau (hier: Kohle, Eisen), Eisenund Stahlindustrie 521Der Weg zur europäischen Integration Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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