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Die Römischen Verträge 1957 Die sechs EGKS-Staaten setzten den wirtschaftlichen Einigungsprozess fort. Sie schlossen am 25. März 1957 auf dem Kapitol in Rom zwei Verträge zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom). Ihr Sitz wurde die belgische Hauptstadt Brüssel. Die beiden Organisationen traten neben die EGKS und nahmen am 1. Januar 1958 ihre Tätigkeit auf. Sie hatten das Ziel, einen gemein samen Markt zu schaffen und die Atomenergie zu nutzen. Letzteres sollte helfen, die Energieknappheit zu überwinden. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft bildete im Kern eine Zollunion, deren Binnenzölle tatsächlich nach etwa einem Jahrzehnt entfi elen. Außerdem entschlossen sich die Gründerstaaten zu einer Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Dafür öffnete es sich Staaten mit einem stärker gewerblich-industriellen Profi l. Die Gemeinsame Agrarpolitik sollte der Einstieg in die gemeinsame Wirtschaftspolitik und den gemeinsamen Binnenmarkt sein. Dieser Ausgleich politisch-wirtschaftlicher Interessen war bedeutsam. Das Fundament war der Ausgleich zwischen Frankreich und Deutschland, der wenige Jahre später im Élysée-Vertrag seinen Niederschlag fand. Das Einvernehmen der beiden großen EU-Staaten ist noch heute der Motor der europäischen Integration. Die Organe der EWG wurden den Organen der EGKS nachgebildet mit dem Ministerrat, der Europäischen Kommission* und der „Versammlung“ (später: „Europäisches Parlament“). Der Gerichtshof der EGKS wurde als Europäischer Gerichtshof (EuGH) neu gegründet. Die Organe bestehen in der Grundform bis heute. Der Ministerrat vereinigte Vertreter der nationalen Regierungen. Er traf die Entscheidungen und setzte Gemeinschaftsrecht, zunächst allerdings nur bei Einstimmigkeit. Die Kommission, in die jeder Staat je nach Größe ein oder zwei Mitglieder schickte, überwachte den vereinbarten Fortgang der Integration. Die „Versammlung“ (Sitz seit 1952 in Straßburg, Aufenthalt auch in Luxemburg und Brüssel) setzte sich aus Abgeordneten der nationalen Parlamente zusammen. Sie hatte zunächst nur beratende, nicht gesetzgebende Funktion. Dem Gerichtshof (Sitz in Luxemburg) gehörte jeweils ein unabhängiger Richter pro Mitgliedstaat an. Er urteilte bei Streitigkeiten zwischen Organen und Staaten, aber auch bei Klagen natürlicher oder juristischer Personen gegen einen Rechtsakt der Gemeinschaften. Bedeutung und Hindernisse des Integrationsprozesses in den 1960er-Jahren Die Römischen Verträge schufen 1957 eine neue supranationale Organisation, aber nur für die sechs Staaten, die sich schon 1951 zusammengeschlossen hatten. Im Rückblick ist besonders erstaunlich, wie spät die Bedeutung der Römischen Verträge erkannt wurde. Denn die Kompetenzen der vier Organe wuchsen stetig und erlangten für immer mehr europäische Staaten Bedeutung. Die Verträge begründeten zugleich eine europäische Rechtsordnung. Das Gemeinschaftsrecht galt nämlich unmittelbar in jedem Staat und war schließlich nationalem Recht übergeordnet (u M2). Aber auch Schwierigkeiten und Rückschläge begleiteten den Integrationsprozess. So regelte die Gemeinsame Agrarpolitik marktwidrig die Preise und gewährte den Landwirten Absatzgarantien für ihre Produkte. Die Subventionen drohten deshalb in den 1960er-Jahren ins Unermessliche zu steigen. Die negative Entwicklung kennzeichnet auch, dass die Erweiterung der drei Gemeinschaften EGKS, EWG und Euratom nicht glückte. Die Verhandlungen mit Großbritannien über einen Beitritt wurden 1963 und 1967 ergebnislos vertagt. Frankreich versagte einer britischen Mitgliedschaft die Zustimmung, da es fundamentale politische und wirtschaftliche Veränderungen der Gemeinschaft befürchtete sowie einen wachsenden Einfl uss der USA, dem wichtigsten Verbündeten Großbritanniens. * Europäische Kommission: bis zum Vertrag von Maastricht (Seite 527) „EG-Kommission“ Élysée-Vertrag: deutsch-französischer Kooperationsvertrag von 1963, beide Staaten vereinbarten darin regelmäßige Gespräche auf Regierungsebene und halbjährliche Treffen der Staatsund Regierungschefs zu Fragen der Außen-, Sicherheitsund Bildungspolitik sowie Maßnahmen auf dem Gebiet des Jugendaustausches. Der Vertrag war ein positiver Meilenstein im deutsch-französischen Verhältnis, denn mit ihm gehörte die sogenannte „Erbfeindschaft“ endgültig der Geschichte an. Eine neue Ära der Partnerschaft und Zusammenarbeit wurde eingeläutet, welche die Amtszeit ihrer beiden Begründer bis in die Gegenwart überdauerte und die weitere Entwicklung der europäischen Integration prägte. i Rückseite der 2013 ausgegebenen 2-Euro-Münze „50 Jahre Élysée-Vertrag“. 523Der Weg zur europäischen Integration Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge tu m d es C .C .B u hn er Ve rla gs | |
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