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Der Schock über das Scheitern lähmte die Akteure nur für kurze Zeit. Die rund 500-seitige „Verfassung“ wurde zum „Vertrag“ umgeschrieben, der nahezu 90 Prozent der Verfassungsbestimmungen aufnahm. Er machte die EU handlungsfähiger und demokratischer. Die EU erhielt mehr Kompetenzen in der Außenpolitik, der Verteidigungsund der Sozialpolitik. Ein Hoher Vertreter für die Außenund Sicherheitspolitik, faktisch ein Außenminister, sollte die Gemeinschaft künftig gegenüber Nicht-EULändern vertreten. Mehr Demokratie wurde erreicht, insofern dem Parlament weitergehende Mit sprache, besonders in der Haushaltspolitik, eingeräumt wurde. Für eine mehrjährige Übergangszeit wurde ein Ausgleich zwischen größeren und kleineren Staaten bei der Stimmenverteilung im Ministerrat gefunden. Künftig soll das Prinzip der doppelten Mehrheit das Zustandekommen von Beschlüssen erleichtern (Mehrheit der Staaten, die zugleich 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren). Der Vertrag wurde 2007 in Lissabon unterzeichnet. Obwohl er die Handlungsfähigkeit der Union stärkte und die Rechte des Europäischen Parlaments erweiterte, stieß er auf verbreitete Ablehnung in der Öffentlichkeit; die Bürger Irlands stimmten erst bei einem zweiten Referendum zu. Der Binnenmarkt wird zum Binnenraum Parallel zu den Erweiterungen und Reformen öffnete sich der Binnenmarkt der EU zum Binnenraum, aber in Form einer differenzierten Integration. Differenziert bedeutet, dass nicht alle EU-Staaten weitere Schritte zur Integration sofort mitgingen, sondern erst später nachfolgten. Beispiele sind der Wegfall der Grenzkontrollen und die Einführung des Euro. Das Schengener Übereinkommen 1985 plante den Verzicht auf Grenzkontrollen (zwischen den Benelux-Staaten, der Bundesrepublik und Frankreich). Zehn Jahre später fi elen tatsächlich die Schlagbäume dieser Staaten, zugleich auch Portugals und Spaniens. Die übrigen EU-Staaten wurden erst später zu „Schengen-Staaten“ mit Ausnahme Großbritanniens, Irlands und Zyperns. Als vorrangiges wirtschaftspolitisches Ziel hatte der Maastrichter Vertrag die Währungsunion angestrebt. Wer beitreten wollte, musste „Konvergenzkriterien“ erfüllen, vor allem Preisstabilität und gesunde Staatsfi nanzen. Darauf hatte am meisten die Bundesregierung gedrängt. Das Projekt schien aufgrund der strengen Kriterien zu scheitern, aber 1998 bescheinigte der Europäische Rat elf Ländern die „Euro-Reife“. Die großzügige Prüfung der Zahlen nahm den Kriterien die Schärfe, nicht zuletzt bei Griechenland, das als zwölftes Land 2001 hinzukam. 1999 wurde der Euro an den Devisenmärkten eingeführt. Ab 1. Januar 2002 bezahlten die Bürger in der „Euro-Zone“ nicht mehr mit der nationalen, sondern mit der europäischen Währung. Bis 2011 waren es Bürger von 17 EU-Staaten. Der Euro war und ist historisch beispiellos. Erstmals in der neuesten Geschichte kam eine Währung in Umlauf, die nicht durch einen zentralen politischen Willen und eine zentrale Wirtschaftspolitik abgesichert war. Der Euro hatte zunächst bei den Bürgern als „Teuro“ und als labile Währung wenig Ansehen. Aber selbst die skep tischen Deutschen mussten zugeben: Die Infl ationsraten lagen niedriger als zu Zeiten der DMark, und der Außenwert des Euro stieg. Sogar während der Weltfi nanzkrise 2008/09 zeigte sich der Euro stabiler als der Dollar. Jedoch wurde die Schuldenkrise Griechenlands 2010 zum Belastungstest. Nur die späte Einigung, für die Schulden Griechenlands gemeinsam zu bürgen, rettete die Euro-Zone bei der ersten Existenzkrise vor schweren Verwerfungen. i Die vier Freiheiten im Binnenmarkt der EU (Stand: 2008). Quelle: Bergmoser + Höller Verlag (Zahlenbild 715320) 531Erweiterung und Herausforderungen der Europäischen Union Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei g tu m d s C .C .B uc hn er V er la gs | |
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