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„Zigeuner“: herabsetzende Fremdbezeichnung für die vor ca. 1 000 Jahren aus Nordwest indien ausgewanderten Volksgruppen, die sich als „Sinti“ (von der indischen Region Sindh) und „Roma“ (von „Rom“ = Mann, Ehemann, Mensch; für die Gruppen südosteuropäischer Herkunft gebrauchter Name) bezeichnen. Entgegen aller Vorurteile: Die Mehrheit der Sinti und Roma war und ist sesshaft. i Ein Bader in Nürnberg beim Setzen von Schröpfköpfen während eines Schwitzbades. Buchillustration von 1612. Die medizinische Grundversorgung der breiten Bevölkerung sicherten neben den Wundärzten und Barbieren die Bader. Zu ihren Dienstleistungen gehörte das Haareschneiden genauso wie das Zähneziehen, die Wundversorgung und das Schröpfen. Dabei wurde die Haut aufgeritzt und ein Schröpfglas aufgesetzt, um durch den Unterdruck die „schlechten Körpersäfte“ aus der Wunde zu ziehen. Internettipp: www.juedischegeschichte.de/ html/mittelalter-start.html Am Rande der Gesellschaft Alle ständischen Gruppen, selbst die Unterschichten, grenzten sich von den Randgruppen ab. Zu diesen gehörten jene Minderheiten, die nicht den gesellschaftlichen Normen entsprachen: Gauner und Räuber, Bettler und Vaganten sowie „unehrliche Leute“. Als „unehrlich“ galt, wer nur über ein geringes Maß oder gar keine „Ehre“ verfügte, weil er unehelich geboren war oder einer „unehrenhaften“ Arbeit nachging. Dies galt vor allem für Henker, Abdecker und Totengräber, die täglich mit Leichen und Aas umgehen mussten, auch für Bader, Barbiere und Chi rurgen, Dirnen und Hurenwirte, aber in manchen Gegenden sogar für Müller, Zöllner und Kesselfl icker sowie die „schmutzigen“ Berufe der Gassenund Schornsteinfeger. Wer einen unehrlichen Beruf ausübte, musste nicht arm sein. So konnte ein Henker oder ein Müller durchaus zu Wohlstand gelangen. Ausund Abgrenzung sowie der Ausschluss der „unehrlichen Leute“ von allen „ehrlichen Berufen“, öffentlichen Ämtern und meist auch dem Bürgerrecht führten jedoch häufi g zum Abstieg in die Kriminalität. Auch das „fahrende Volk“ der Gaukler, Schausteller und Akrobaten war mit dem Makel der Unehrlichkeit behaftet. Nichtsesshaftigkeit und Vagantentum wurden als unchristlicher Müßiggang und Quelle von Bettelei und Kriminalität angesehen und von den Obrigkeiten bekämpft. Davon waren besonders die Sinti und Roma („Zigeuner“) betroffen, die zu Beginn des 15. Jahrhunderts nach Westeuropa gekommen waren und bald auf Abwehr stießen. Ausschlaggebend dafür mögen die Fremdartigkeit von Aussehen, Sprache, Kultur und nomadischer Lebensweise gewesen sein, die bei der sesshaften Bevölkerung das negative Bild von den „Zigeunern“ als unheimlichen Fremden erzeugte. Von der Obrigkeit den Gaunern und Vaganten zugerechnet, wurden sie jahrhundertelang als „herrenloses Gesindel“ verfolgt und ausgegrenzt. Die Stellung der Juden in der Frühen Neuzeit Seit dem 10. Jahrhundert gab es entlang der „Hauptverkehrsadern“ an Rhein, Main und Donau jüdische Gemeinden. Juden waren als Mitbürger in der christlichen Gesellschaft akzeptiert, gleichzeitig trugen sie zur dynamischen Entwicklung der Städte in Deutschland bei. Der christliche Antijudaismus, der auf religiösen Vorurteilen und falschen Beschuldigungen wegen angeblichen Ritualmorden, Hostienschändungen und Brunnenvergiftungen beruhte, gipfelte zunächst in der Zeit der Kreuzzüge und später vor allem in Krisenzeiten (Pestepidemie ab 1348) in Ausschreitungen gegen Juden als Andersgläubige und angebliche „Christusmörder“. Hinzu kamen wirtschaftliche Motive wegen des „Judenwuchers“ im Kreditund Pfandgeschäft, in dem viele Juden (aber auch Christen!) arbeiteten, da sie von Ämtern, Gilden, Zünften, Schulen und Universitäten ausgeschlossen blieben. Gegen hohe Abgaben übernahm die Obrigkeit zwar den Schutz der jüdischen Bevölkerung, doch an ihrer gesellschaftlichen Stellung änderte das im Spätmittelalter wenig. Seit dem 15. Jahrhundert wurde die jüdische Bevölkerung in mehreren Wellen aus Reichsstädten und Territorien ausgewiesen; es waren die Ortsansässigen und Obrigkeiten, die sich jeweils für oder gegen eine Duldung der Juden entschieden. Bis auf Weiteres blieben die Juden als Kreditgeber jedoch unverzichtbar. Deshalb durften sie sich nach den Verfolgungen oftmals erneut niederlassen. Größere Judengemeinden gab es Ende des 16. Jahrhunderts jedoch nur noch in Prag, Worms, Friedberg (Hessen) und Frankfurt am Main (u M3). Wo man auf die Ausweisung verzichtete, wurden die Juden in Ghettos oder verschließbare Judengassen abgedrängt. Sie mussten hohe „Schutzgelder“ und andere Abgaben zahlen. „Judenordnungen“ schränkten das Leben weiter ein. Vor allem das seit 1530 vorgeschriebene Tragen des „gelben Flecks“* stigmatisierte die Juden öffentlich. * Siehe dazu Seite 73. 67Die mittelalterliche Ständegesellschaft Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge tu m d s C .C .B uc ne r V er la gs | |
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